Rest in Piece
FBW-Pressetext
Der Mann schaut aus seinem Fenster. Vor seiner Tür tobt der Krieg. In seinem Haus kann er sich verstecken, aber wie lange noch? Also nimmt er nur das Wichtigste mit, das, was ihm am Herzen liegt, und verlässt seine Heimat. Auf dem Weg in eine ungewisse Zukunft verlassen ihn die Kräfte. Nach und nach opfert er all seine geringen mitgenommenen Besitztümer, nur um noch einmal neue Hoffnung und Kraft zu schöpfen. Bis am Ende nur noch die Erinnerungen an seine Liebsten übrig sind. Antoine Antabis knapp 10-minütiger Kurzanimationsfilm REST IN PIECE kommt gänzlich ohne Dialoge aus. Und doch können sich die Zuschauenden ganz auf die feinfühlig und ruhig erzählte Geschichte einlassen, denn das Zusammenspiel einer stimmungsvollen Musik und die kluge Komposition der Bilder nehmen uns auch ohne Worte gefangen. Für die hoffnungslose Situation des Mannes, der am Ende nicht nur seine eigene Identität, sondern auch das Bild seiner Liebsten hinter sich lässt, findet Antabi mit dem Aufessen der Gegenstände eine surreal poetische Metapher, die dennoch gut verständlich ist. Das Schicksal des Mannes steht stellvertretend für das Schicksal der Flucht und der Migration und kann glaubwürdig vermitteln, was es heißt, alles Vertraute der geliebten Heimat hinter sich zu lassen. Ohne zu wissen, was sich hinter dem Horizont verbirgt. Ein berührender und meisterlich gestalteter Kurzfilm, der zum Nachdenken anregt.Filminfos
Gattung: | Animationsfilm; Kurzfilm |
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Regie: | Antoine Antabi |
Drehbuch: | Simon Thummet; Antoine Antabi |
Kamera: | Antoine Antabi |
Schnitt: | Maximilian Raible; Antoine Antabi |
Musik: | Erik Wiesbaum |
Webseite: | unifrance.org; |
Länge: | 9 Minuten |
Produktion: | reynard films, Tiresias Films; |
FSK: | 6 |
Förderer: | BKM; Kulturstiftung Sachsen; Sächsische Landesmedienanstalt; Doha Film Institute |
Jury-Begründung
Schon der Titel bringt es zum Ausdruck: In Antoine Antabis Film geht es um Leben und Tod und auf ganz besondere Weise auch um (Erinnerungs-)Stücke. Frieden wird der Protagonist von REST IN PIECE vielleicht finden, diesmal allerdings nicht im Grab. Ein Fläschchen Parfum, ein altes Foto, eine Sonnenbrille, als er im Dauerbombardement seine Heimatstadt verlässt, nimmt er nur ein paar Habseligkeiten mit, die ihn an seine Familie erinnern. Dann versucht er sein Glück in der Flucht.REST IN PIECE beginnt mit einer eindrücklichen Kriegsszene. Unweit der Wohnung des Protagonisten detoniert ein Geschoss. Staub wirbelt auf, ein riesiges Loch klafft mit einem Mal in der Außenwand und gibt den Blick auf den zerstörten Innenhof frei. Nicht als Realfilm, sondern als Stop-Motion-Knetanimation hat Antabi seinen Film entstehen lassen und gleich von Beginn an die Jury durch starke Authentizität gefesselt. Sein Kurzfilm begleitet einen namenlosen Mann auf der Flucht. Detonationen sind zu hören, Windgeräusche, Schritte und hin und wieder, wie aus weiter Ferne, ganz dezente Musik. So beeindruckend Antabi auf der visuellen Ebene arbeitet, so bemerkenswert zurückhaltend ist die Tonebene. Antabi benutzt keine Worte, Geräusche und darüber hinaus eine beinahe erdrückende Ruhe sind ausreichend, um das Elend dieses Mannes zu erzählen.
Durst, Hunger und Entkräftung lassen seine Flucht zur Odyssee geraten. Immer dann, wenn er am Ende scheint, ist es eine seiner Habseligkeiten, die ihn weitertreibt. Antabi gestaltet das aber nicht in rationalen, sondern in prima vista surrealen Szenen. Bis er ans rettende Meer kommt, mutiert die Gestalt des Mannes in dem Maße, in dem er nach und nach alle seine Erinnerungsstücke verzehrt, zu abenteuerlichsten Erscheinungen. Von den reifen Bildideen Antabis zeigte sich die Jury schlichtweg begeistert. REST IN PIECE überzeugt mit inspirierender Verspieltheit innerhalb seiner melancholischen Bildlandschaften, bleibt aber mit seiner surreal-schaurigen Poesie für verschiedene Lesarten offen.
Angesichts der vielen blutigen Krisen auf der Welt erweist sich Antoine Antabis Film heute aktueller denn je. Sein REST IN PIECE zeigt ausgereifte, gestalterische Leistungen und tolle erzählerische Größe. So gefesselt sich die Jury von Beginn an zeigte, kann sie nicht anders, als diesem 9-minütigen Kurzfilm das Prädikat BESONDERS WERTVOLL auszusprechen.