Recordari
FBW-Pressetext
Camila und Paula sind sieben Jahre alt, als die Unschuld ihrer Kindheit plötzlich zerstört wird. Denn in Chile in den 1980er Jahren regiert mit Pinochet ein Diktator. Politische Gegner werden verfolgt und mundtot gemacht. Auch Camilas und Paulas Eltern gehören zu einer Gruppe, die sich gegen Pinochet auflehnt, natürlich im Geheimen und so, dass die Kinder, die jeden Tag miteinander verbringen, möglichst wenig davon mitbekommen. Doch eines Tages ist alles anders. In der Schule, in der Nachbarschaft, auf den Straßen. Und als Camila zu Paula gehen will, um mit ihr zu sprechen, ist ihre beste Freundin nicht mehr da. Der animierte Kurzfilm in der Regie von Carolina Cruz beginnt mit magischen Momenten, wenn sich durch die Fantasie der Kinder beim Spielen die Objekte in ihrer Umgebung verwandeln und da, wo bisher alles grau war, alles farbenfroh glänzt und leuchtet. Dass dieses Glück jedoch trügerisch ist, zeigt RECORDARI immer wieder mit einzelnen unheilvollen Momenten. Ein Flugblatt, das sich die Eltern zeigen, bedrohlich klingende Nachrichten aus dem Radio, eine misstrauische Nachbarin, die etwas zu neugierig den Gesprächen lauscht: RECORDARI funktioniert wie ein Album, in dem die Regisseurin in den eigenen Erinnerungen blättert. Jede Sequenz wirkt wie eine Momentaufnahme, wie ein Schnipsel eben jener Erinnerung. Neben den einzelnen Geräuschen wie dem Radio oder der Atmo verzichtet Cruz auf jeglichen Dialog und setzt auf die Kraft der wunderschön gestalteten Puppen-Stoptrick-Animation, die das Publikum verzaubert und berührt.Filminfos
Gattung: | Animationsfilm; Kurzfilm; Stop-Motion |
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Regie: | Carolina Cruz |
Drehbuch: | Carolina Cruz |
Kamera: | Jana Pape; Eli Bornike; (Animation) Stefanie Bokeloh; Carolina Cruz; Cecilia Lepratti; Florencia Toro |
Schnitt: | Martin Herold |
Musik: | Jana Irmert; Bertolt Pohl; Lucien Kemper |
Länge: | 9 Minuten |
Verleih: | Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf |
Produktion: | Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF |
Förderer: | Filmuniversität Babelsberg |
Jury-Begründung
Der Kurzfilm RECORDARI von Regisseurin Carolina Cruz ist ein eindringliches Werk, das in nur neun Minuten eine universelle Geschichte über Freundschaft, Kindheit und den Schrecken von Unrechtsherrschaften erzählt. Vor dem Hintergrund der Pinochet-Diktatur in den 1980er Jahren in Santiago de Chile, verarbeiten die siebenjährigen Nachbarinnen und besten Freundinnen Camila und Paula die brutale Wirklichkeit um sie herum, indem sie sich eine eigene, farbige Welt der Fantasie schaffen. Doch diese heile Welt wird plötzlich von der harschen Realität des Unrechtsstaates durchbrochen.Die Stop-Motion-Animation mit gefilzten Puppen ist liebevoll und detailreich gestaltet und übersetzt komplexe Zusammenhänge in einfache, emotional ansprechende Bilder. Die klare, narrative Struktur ermöglicht es dem Publikum, die Geschichte auch ohne Vorwissen zu verstehen. Die Farbgestaltung – eine farbenfrohe, kindliche Welt, die in starkem Kontrast zum schwarz-weißen „Außen“ steht – unterstreicht die Zerbrechlichkeit der Kindheit in einer von Schikanen, Disziplin und Protesten geprägten Umgebung.
Besonders hervorzuheben ist die Gestaltung der Militär-Schergen als Scherenschnitte, die den Schrecken der Diktatur auf subtile, aber eindringliche Weise transportieren. Auch die Lichtkomposition des Films ist herausragend und trägt entscheidend zur emotionalen Wirkung bei. Das Haus der Protagonistinnen fungiert dabei nicht nur als sicherer Hafen ihrer Kindheit, sondern wird fast zu einem eigenen Protagonisten des Films. Der Abschluss mit einer dokumentarischen Aufnahme des echten Hauses verleiht der Geschichte zusätzliche Authentizität und überführt das Gesehene aus dem beschränkten Erinnerungsraum eines Kindes in die heutige, echte Welt.
Carolina Cruz verarbeitet in RECORDARI ihre eigenen Kindheitserinnerungen und schafft damit eine erzählerische Brücke, die exemplarisch für alle Schreckensregime steht. Der Film bietet einen wichtigen Beitrag zu den Themen Flucht, Vertreibung und Diktatur, der sowohl in Kurzfilmprogrammen als auch in der Arbeit mit jungen Menschen eingesetzt werden kann.
Aufgrund seiner geschlossenen, visuellen Gestaltung und der universellen Botschaft, die nachhallt und zur Diskussion anregt, vergibt die Jury einstimmig das Prädikat "besonders wertvoll".