Rebel - In den Fängen des Terrors

Kinostart: 30.11.23
VÖ-Datum: 08.02.24
2022
Filmplakat: Rebel - In den Fängen des Terrors

FBW-Pressetext

Das belgische Drama erzählt die Geschichte zweier Brüder, die vom Terror-Regime des IS für den „heiligen Krieg“ rekrutiert werden. Herausfordernd, hart und von allerhöchster Relevanz.

Kamal lebt in Belgien, zusammen mit seinem jüngeren Bruder Nassim und seiner Mutter Leila. Als er beschließt, nach Syrien zu gehen, unternimmt er diesen Schritt, um Gutes zu tun, um Kriegsopfern zu helfen. Schon bald jedoch wird er von einer Terrormiliz aufgegriffen und gezwungen, sich ihr anzuschließen. Nassim, der seinen großen Bruder unbedingt wiedersehen möchte, folgt den Versprechungen falscher Prediger und lässt sich ebenfalls für die IS rekrutieren. Verzweifelt versucht Leila, alles zu unternehmen, um zumindest ihren jüngsten Sohn vor dem Terror zu retten.

Mit einer beeindruckenden Intensität erzählt die französich-belgisch-luxemburgische Koproduktion REBEL eine Geschichte, die zwar fiktional ist, aber auf einer Realität beruht, die unsere Zeit beherrscht: die Macht des Terrors, seine verführerische Wirkung auf junge Menschen, die in den Milizen Halt suchen, die falschen Versprechungen der Propheten. Es geht um den gewaltsamen und missbräuchlichen Umgang mit jungen Menschen, mit Frauen, die wie Ware behandelt werden, mit Anhängern, die als menschliches Faustpfand für kriegerische Zwecke ausgenutzt werden. REBEL erzählt all das in einer auch filmisch beeindruckenden Form. Die Schnitte sind schnell, die vermittelte Gewalt ist brachial, unmittelbar und permanent vorhanden – und braucht doch nicht die Bebilderung, um sie deutlich zu machen. Es ist das Kopfkino, das die Regisseure Adil El Arbi und Bilall Fallah zusammen mit ihren Ko-Autoren Kevin Meul und Jan van Dyck in Gang setzen. Um den Gefühlen der Figuren noch stärkeren Ausdruck zu verleihen, sind viele Sequenzen einem Musical ähnlich mit musikalischer Performance verknüpft, die Missbrauch wird zur Ballettchoreografie, eine Folterszene wird zu einem anklagenden Rap. REBEL macht durch die permanente Gewalt auch für Außenstehende den Terror unmittelbar spürbar. Die darstellerische Leistung von Aboubakr Bensaihi als Kamal und Lubna Azabal als Mutter Leila ist grandios. Doch es ist Amir El Arbi, der Darsteller des Jugendlichen Nassim, der den Zuschauenden den Atem raubt. Allein in seinem Gesicht kann man die Wandlung von der Unschuld der Kindheit hin zur traumatischen Desillusionierung durch das Erlebte im Krieg ablesen. REBEL ist ein intensiver Film, der für das Publikum eine Herausforderung darstellt. Ein Film, den man aushalten und unbedingt gesehen haben muss.

Filminfos

Gattung:Drama; Thriller; Spielfilm; Actionfilm
Regie:Adil El Arbi; Bilall Fallah
Darsteller:Aboubakr Bensaihi; Lubna Azabal; Amir El Arbi; Tara Abboud; Ala Riani; Kamal Moummad; Nadeem Rimawi; Fouad Hajji; Issam Messaoudi; Majd Eid
Drehbuch:Adil El Arbi; Bilall Fallah; Kevin Meul; Jan van Dyck
Kamera:Robrecht Heyvaert
Schnitt:Frédéric Thoraval
Musik:Hannes De Maeyer
Webseite:imdb.com;
Weblinks:kinofans.com;
Länge:135 Minuten
Kinostart:30.11.2023
VÖ-Datum:08.02.2024
Verleih:Little Brother Films
Produktion: Caviar Films, Calach Films; Le Collectif 64; Beluga Tree; Vlaamse Radio en Televisie (VRT); BE TV; VOO;
FSK:16

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Beinahe täglich finden sich Aktivitäten des IS in den Bildern der Nachrichten. Beinahe täglich berichten Medien über dessen Gräueltaten. Was der IS letztlich ist, wie er agiert und warum er auch so attraktiv für Menschen in Europa scheint, bleibt allerdings im Dunkeln. Genau das trägt sicherlich zur Mythisierung und Mystifizierung des IS bei.

Um es vorweg zu nehmen: Selten hat die Jury nach der Filmsichtung so um Worte gerungen, wie bei REBEL – IN DEN FÄNGEN DES TERRORS. Das Regie-Duo Adil El Arbi und Bilall Fallah hat sich an ein Thema gewagt, dass andere Regisseure sicherlich nicht einmal mit einer Kneifzange angefasst hätten. Zu schnell könnte so ein Film missverstanden, zu schnell belehrend oder, noch schlimmer, konturlos werden.

Zusammen mit seiner alleinerziehenden Mutter und seinem kleinen Bruder Nassim wächst Kamal in Molenbeek auf. Der Vorort von Brüssel, der immer wieder in die Schlagzeilen gerät, wenn es um islamistische Attentate besonders in Frankreich geht. Kamal verdient sein Geld mit Hehlerei und Drogengeschäften und hängt ansonsten eher mit seinen Kumpel ab. Moslems haben in Molenbeek eh keinen besonderen Ruf. Andererseits zeigt ihm jede Nachrichtensendung das unaussprechliche Leid der syrischen Zivilbevölkerung, und so überlegt er sich, dass er in Syrien etwas ausrichten könnte. Dass der Schein trügt, dass die Bilder vom heroischen Kampf gegen Diktator Assad nicht der Realität entsprechen, das merkt er ziemlich schnell. Wie wenig für den IS ein Menschenleben zählt, erfährt Kamal gleich am ersten Tag in Syrien, doch da ist es für ihn schon zu spät. Und die Anwerber des IS haben schon längst auch seinen kleinen Bruder Nassim im Visier.

REBELs Hauptdarsteller, der Schauspieler und Rapper Aboubakr Bensaihi, ist selbst in Molenbeek aufgewachsen und kennt die Verhältnisse dort aus eigener Erfahrung. Für die Rolle von Kamals Mutter konnten El Arbi und Fallah dagegen die dem deutschen Publikum vor allem durch das Palästinadrama PARADISE NOW bekannte Schauspielerin Lubna Azabal gewinnen. Doch auch die Nebenrollen sind perfekt besetzt und sorgen dafür, dass REBEL – IN DEN FÄNGEN DES TERRORS so eindrucksvoll funktioniert. In der Diskussion zeigte sich, dass die Jury lediglich bei dem wechselnden Fokus der Geschichte eine gewisse Kritik ansetzen konnte. Zunächst erzählt REBEL die Geschichte Kamals, wechselt dann aber zu dessen jüngerem Bruder und schließlich ruht die Handlung auf der Mutter und den Rettungsversuchen ihrer Kinder.

El Arbis und Fallahs Dramaturgie ist gewagt. Was sie berichten, ist rau und hart und unglaublich wirkungsvoll. Sie begleiten Kamal von Europa in die IS-Hochburg Ar-Raqqa, zeigen, wie er versucht, in der bigotten Welt des IS zu überleben und es letztlich vielleicht doch nicht schaffen wird. Das alles wirkt wie ein Actionfilm: Harte Schnitte, laute Töne, derbe Sprache. Man spürt: Adil El Arbi und Bilall Fallah haben schon in Hollywood überzeugen können. REBEL – IN DEN FÄNGEN DES TERRORS ist aber sehr viel mehr als Actionkino. REBEL nutzt dessen inszenatorische Mittel, um das Publikum zu bannen, zeigt letztlich aber eine Geschichte voller Leid, eine Geschichte, die wütend macht und auch nachdenklich. Das ist genial, weil es äußerst effektiv ist. Näher an Menschen wie Kamal, seiner Familie und seinen Freunden kann Kino gar nicht sein.

Die Story ist dicht und logisch, erzählt von Macht und Ohnmacht, Manipulation und Verderben. REBEL – IN DEN FÄNGEN DES TERRORS vorurteilt nicht, sondern erklärt, zeigt realiter keine expliziten Ansichten von Tod und Verstümmelung, sondern lässt diese Gewalt in den Köpfen des Publikums entstehen. Dass die Regisseure an entscheidenden Stellen Videoclip-ähnliche Elemente wählen, ist nicht nur unorthodox, sondern auch extrem mutig. Tatsächlich aber sind es gerade diese poetisch-choreographierten Elemente, die besser als jeder Text oder Augenaufschlag die so unendliche Gefühlswelt abbilden können. Und auch hier sind Musik und Ton hervorragend eingesetzt, dass Spielfilm und Videoclip zur perfekten Synthese amalgamieren.

REBEL – IN DEN FÄNGEN DES TERRORS erzählt das alles zwar aus rein muslimischer Sicht, richtet sich aber dennoch an ein weit gefächertes Publikum. Der Film hat die Kraft, Augen zu öffnen: muslimischen Jugendlichen für falsche Propheten, und einem kinogehenden Bildungsbürgertum für das Leben einer Randgruppe, zu der es doch höchst selten Zugang hat. Nach einer genauso ergreifenden wie ergiebigen Diskussion und unter Abwägung aller Argumente freut sich die Jury, dem Film REBEL – IN DEN FÄNGEN DES TERRORS das Prädikat BESONDERS WERTVOLL verleihen zu dürfen.