Pfau – Bin ich echt?
FBW-Pressetext
In seinem Langfilmdebüt erzählt Bernhard Wenger die Geschichte eines Mannes, der beruflich als perfekter Begleiter durchs Leben geht – und dabei vergisst, wer er selbst ist. Ein wunderbar bissiges Drehbuch, eine ausgefeilte Bildsprache und ein Albrecht Schuch in Hochform – das sind die Zutaten für einen hochamüsanten Film in bester österreichischer Kinotradition.Die gebildet-kultivierte Begleitung bei einem Konzertbesuch, der liebende Sohn, der den Vater bei seinem Ehrentag hochleben lässt, das notwendige Gegenüber bei dem Versuch, richtig streiten zu lernen – als Mitbesitzer – und bester Angestellter - der Agentur „My Companion“ ist Matthias ein Mann, den man für alle Zwecke mieten kann. Leider aber beherrscht Matthias das Spiel der übergestülpten Identitäten so gut, dass er gar nicht mehr als eigenes Ich definierbar ist. Das findet zumindest Matthias‘ Lebensgefährtin Sophia, die ihn deswegen auch verlässt. In dem verzweifelten Versuch, Sophia zurückzugewinnen, wird Matthias mit einem Blick auf sich selbst konfrontiert. Und was er da so sieht, gefällt ihm ganz und gar nicht.
Gerade Linien, metallene Oberflächen, klare kalte Farben und unpersönlich eingerichtete Räume – Bernhard Wenger (ausgezeichnet mit demPremio Bisato d’oro der Filmkritik für Beste Regie, Settimana Internazionale della Critica, Venedig Film Festival 2024) und sein Team lassen in PFAU – BIN ICH ECHT? die Szenerie so steril und gefühlsbereinigt wirken, dass man sich vor Kälte schaudern muss. Dass es gelingt, in einem solchen kunstvoll inszenierten Emotionsminimalismus eine echte, berührende Geschichte zu erzählen, bei der man mit der Hauptfigur mitfiebert und -leidet, liegt an dem klugen Gespür des Regisseurs und seinem Team für Timing und Inszenierung. Und am exzellenten Spiel von Albrecht Schuch, der sich die ganze Zeit über wie unter einem Schleier zu verbergen scheint und scheu, unscheinbar und verletzlich agiert. Dass sich hinter diesem Schleier zunehmend Frustration und Verzweiflung breitmachen, führt nicht nur zu vielen kleinen trockenhumorigen Szenen, sondern auch zu einer Art ausweglosen Situation für einen Mann, der sich im Bemühen, sich komplett der Gesellschaft anzupassen, in der er funktionieren muss, nach und nach verloren hat. Das alles gipfelt in einem furiosen Finale, in dem sich die ganze Skurrilität der Situation entlädt. Überhaupt ist PFAU – BIN ICH ECHT? ein wunderbar bissiger Kommentar auf die Dekadenz des wohlhabenden Bürgertums, das von sich selbst immer behauptet, ein perfektes Gespür für das „Echte“, das „Authentische“ zu haben – und dabei doch selbst nur ein künstliches Gebilde voller Selbstdarsteller ist. Wie schon in seinen preisgekrönten Kurzfilmen zeigt Bernhard Wenger auch in seinem Langfilmdebüt, wie stilsicher und witzig er auch die Langsamkeit des Moments inszenieren kann. Die Kamera von Albin Wildner und die Montage von Rupert Höller lassen Einstellungen bewusst lange stehen, unterlegt von einem atmosphärisch stimmigen Score von Lukas Lauermann. Mit seiner Mischung aus schwarzem, trockenen Humor und anrührenden Figuren steht PFAU – BIN ICH ECHT? in bester Tradition des österreichischen Kinos.
Filminfos
Gattung: | Spielfilm; Tragikomödie |
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Regie: | Bernhard Wenger |
Darsteller: | Albrecht Schuch; Julia Franz Richter; Anton Noori; Theresa Frostad Eggesbø; Salka Weber; Maria Hofstätter; Branko Samarovski; u.a. |
Drehbuch: | Bernhard Wenger |
Kamera: | Albin Wildner |
Schnitt: | Rupert Höller |
Musik: | Lukas Lauermann |
Webseite: | wildbunch-germany.de; |
Weblinks: | kinofans.com; |
Länge: | 102 Minuten |
Kinostart: | 20.02.2025 |
Verleih: | Wild Bunch Germany |
Produktion: | NGF Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion, ORF; Arte; ZDF; |
FSK: | 12 |
Förderer: | FilmFonds Wien; Österreichisches Filminstitut |
Jury-Begründung
Matthias ist ein Mann, der virtuos repräsentative bürgerliche Existenzen simulieren kann. Ob als ein eloquenter und gebildeter Begleiter bei einem Kultur-Event, ein dankbarer Sohn bei einem Ehrentag, ein Vater mit einem interessanten Beruf bei einem Besuchstag in der Schule oder ein Ersatz-Ehemann, bei dem eine Frau das Streiten üben kann - Matthias spielt diese Rollen perfekt und bietet damit eine Dienstleistung, die die Agentur „My Companion“ mit großem Erfolg anbietet. Doch welche Farbe hat ein Chamäleon wirklich? Gibt es hinter all diesen Rollen einen „echten“ Matthias, oder ist er ein Mann ohne Eigenschaften? Immerhin kann er sich selber noch genau diese Frage stellen, nachdem seine Lebensgefährtin ihn verlässt, weil er auch für sie eine große Leerstelle ist. Dadurch wird Matthias in eine Identitätskrise gestürzt, die Bernhard Wenger in seinem ersten Langfilm mit einem lakonischen, oft sehr schwarzen und absurden Humor durchspielt.Auf einer Ebene gelingt ihm dabei eine sehr komische „comedy of manners“, also eine Komödie, die die Dekadenz und Scheinheiligkeit der „feinen“ Gesellschaft aufs Korn nimmt. Sein Film spielt in einer sterilen, durchstilisierten Welt, die die Oberflächlichkeit und Leere ihre Bewohner perfekt spiegelt. Dass ausgerechnet der „unechte“ Matthias, dessen simuliertem Leben man am Anfang des Films mit einer Mischung aus Fremdschämen und Faszination folgt, sich zu dem lebendigsten und verletzlichsten Menschen des Films entwickelt, ist die schönste Finte des Films. Sie konnte Bernhard Wenger nur gelingen, weil er mit Albrecht Schuh einen Hauptdarsteller gefunden hat, der mit kleinen Gesten, Blicken und immer wieder durch ein mit präzisen Timing gesetzten Zögern das Unwohlsein und die zunehmende Verzweiflung des Protagonisten spürbar werden lässt. Und dass die Szenen, in denen dies deutlich wird, auch die komischen Höhepunkte des Films sind, zeigt, dass Wenger hier in der besten Tradition des österreichischen Kinos seine schönsten Lacher da findet, wo es weh tut.