Paradies

1986
Filmplakat: Paradies

Kurzbeschreibung

Eigentlich ist Angelika ( Sunnyi Melles ) mit Ehemann Viktor ( Heiner Lauterbach ) ganz zufrieden. Nur etwas mehr Leidenschaft dürfte es sein. Denn Viktor scheint die Sehnsüchte seiner Frau nicht einmal zu bemerken, doch dann lernt er Lotte ( Kazharina Thalbach ), Angelikas Jugendfreundin kennen und damit die große Liebe. Gerade aber davor will Lotte sich um jeden Preis schützen, " Alles Unglück fängt mit diesem Schwachsinn an".
Es geht ums alte Bekannte: Liebe und Leidenschaft, doch Doris Dörrie demonstriert mit Paradis ihre Fähigkeit, scheinbar vertrautes auf ganz neue Art zu erzählen: unbefangen, komisch und tragisch zugleich und damit für den Zuschauer immer wieder verblüffend.
Prädikat wertvoll

Filminfos

Kategorie:Spielfilm
Gattung:Spielfilm
Regie:Doris Dörrie
Darsteller:Heiner Lauterbach; Katharina Thalbach; Sunnyi Melles; Hanne Wieder; Katja Lauterbach
Drehbuch:Doris Dörrie
Kamera:Helge Weindler
Schnitt:Raimund Barthelmes
Musik:Claus Bantzer
Länge:106 Minuten
Verleih:Delta-Filmverleih
Produktion: Delta Media Produktion, Köln, Delta-Filmverleih;
FSK:16

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Der Bewertungsauschuss hat dem Film mit 3:2 Stimmen das Prädikat " wertvoll" erteilt.
Er konnte dabei nicht von den Erwartungen ausgehen, die dem Film nach dem Erfolg von " Männer" entgegengebracht werden, sondern musste prüfen, was die Regisseurin Doris Dörrie in ihrem neuen Film ausdrücken und aussagen wollte. Insofern war nicht nur der Wechsel vom Lustspiel zum Meldodram zu berücksichtigen, sondern auch der Übergang zu dem, was in der Kunst- und Kulturgeschichte wie in der Pyschologie als "amour fou" bezeichnet wird - eine Liebe also die Schranken der Konventionen, der Selbstkontrolle, der Logik und Psychologie hinwegfegt.
Unter diesem Gesichtspunkt können dem Film über weite Strecken bemerkenswerte und hervorragende Gestaltungsmomente und Darstellungsperspektiven nicht abgesprochen werden: die Gestaltung der beiden Frauenfiguren, die Darstellung des für sie charakteristischen Milieus geben gerade zu Beginn des Films der Thematik einprägsame Sinnbilder, die sich etwa in dem Gemischtwarenladen der einen oder dem bürgerlichen Einrichtungshaus- Arrangement in der Wohnung der anderen Frau verwirklichen. Doch bleibt schon in diesen Passagen des Films zu Konstatieren, dass eine auf symbolträchtige Anschaulichkeit getrimmte Inszenierung dem Geschehen, das Spontanität jedenfalls in der neuen Beziehung zum Ausdruck bringen und zur Vorraussetzung haben soll, den beeinträchtigenden " touch" einer auf Überinterpretation ausgerichteten Parabel vermitteln.
Im Laufe des Films, vor allem bei der Einbeziehung des St. Pauli - Milieus, verstärkt sich dieses Moment in einer Weise, die mehr und mehr die kunst- und literaturgeschichtlichen Vorläufer und Parallelen in den Vordergrund rückt; die Individualitäten der drei Hauptgestalten verschwimmen zunehmend in einem Klischeeverhalten, dessen Einzelheiten ( beispielsweise der erfolgreichen Nutte, des von der leidenschaftlichen Liebe überwältigten Wissenschaftlers oder der vom Verlust des Gatten aus der Bahn geworfenen, ansonsten frustriert desinteressierten Ehefrau) nur noch begrenzt Einsicht und Erkenntnis in die Überwältigung durch eine aller Kalkulation sich entziehende Liebe vermitteln können. ( Allerdings gibt es im Handlungsablauf auch immer wieder einzelne Szenen, in denen dies in treffender und prägnanter Weise zum Ausdruck kommt, etwa bei dem Überqueren der Straße mit verbundenen Augen als einen Beweis der Liebe oder bei dem Rendezvous vor einem Hotel, in dem nicht der vermutete Liebhaber, sondern die verlassene Ehefrau auf die Geliebte des Protagonisten wartet.)
Insgesamt erschlägt schließlich eine Inszenierung, bei der die Frage, was jedes einzelne Detail der Realisation zum Ausdruck bringen soll, immer beherrschender wird, die intendierte Darstellung einer Leidenschaftlichkeit, die für keinen der beteiligten Menschen verfügbar bleibt.
Allerdings - und dies gab für die Erteilung eines Prädikats schließlich den Ausschlag - sind Einzelheiten der Inszenierung überdurchschnittlich gut gelungen, auch wenn sie die hohen Erwartungen, die dem Film entgegengebracht werden, nicht immer erfüllen. So ist beispielsweise die Wahl und Führung der Darstellerinnen weitgehend den Intentionen des Films dienlich, ist die Charakterisierung des Milieus gelegentlich von großer Dichte, intensivieren die einzelnen Songs die Handlung wie die Aussage des Films, gelingen der Kamera immer wieder überzeugende und einprägsame Vermittlungen des äüßeren wie des inneren Geschehns. Demzufolge erschien dem Ausschuss die Erteilung des Prädikats " Wertvoll" als angemessen für eine Leistung, die zwar nicht durchgehende Geschlossenheit der Darstellung erreicht, aber doch ein beachtliches Können der Regisseurin beweist.