Nikotyna

FBW-Pressetext

Polen 1981. Kurz nachdem Staatsoberhaupt Wojciech Jaruzelski das Kriegsrecht als Maßnahme zur Zerschlagung der Demokratiebewegung ausgerufen hat, verbringt die 15-jährige Marta das Weihnachtsfest mit ihrer Familie in Lodz. Ein Stromausfall bleibt nicht der einzige Zwischenfall, denn nach einem Streit mit ihrem Vater, nimmt Marta Reißaus und wird auf den Straßen der Stadt mit der harten Realität des Kriegsrechts konfrontiert.
In Ewa Wikiels 23-minütigem Film NIKOTYNA kommen in der Dunkelheit familiäre Geheimnisse ans Licht und diese werden nahtlos mit den politischen Verhältnissen der abgebildeten Zeit verknüpft. Wikiel schildert eine Episode des Erwachsenwerdens zwischen Konformität und Rebellion auf eine subtile, stets unaufdringliche Weise sowie mit einer grandiosen atmosphärischen Dichte. Die vielen kunstvoll eingesetzten Formen der Spiegelungen, teilweise rein metaphorisch, die exzellente Lichtgestaltung, die schauspielerische Leistung der jungen Hauptdarstellerin, die großartige Kameraarbeit und auch der klug gewählte Erzählrhythmus machen NIKOTYNA zu einem bemerkenswerten Kurzfilm, der nachwirkt und Lust auf weitere Werke der jungen Filmemacherin weckt.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Kurzfilm
Regie:Ewa Wikiel
Darsteller:Paulina Walendziak; Andrzej Mastalerz; Katarzyna Tarkowska-Żogała; Kuba Borowski
Drehbuch:Ewa Wikiel
Kamera:Jesse Mazuch
Schnitt:Alan Zejer
Musik:Jan Stark
Länge:23 Minuten
Verleih:DFFB
Produktion: Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin GmbH (DFFB)
Förderer:dffb

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Ein politischer Zustand wird hier in einer Familiengeschichte gespiegelt. Und diese gelingt Ewa Wikiel, ohne dass ihr Film auch nur einen Moment lang angestrengt oder die Dramaturgie konstruiert wirken würde. Der Kurzfilm spielt an einem Weihnachtsabend im Polen des Jahres 1981. Es herrscht Kriegsrecht, der Strom ist ausgefallen und die Familie der 15jährigen Maria sitzt nicht wegen der festlichen Stimmung, sondern gezwungenermaßen bei Kerzenschein in der dunklen Wohnung. So wie das Regime das Land hält auch der Vater die Familie an der Kandare, und deshalb beschließt Maria fortzugehen. Draußen auf der Straße erlebt sie die brutale Realität der versuchten Zerschlagung der Demokratiebewegung und kehrt als ein veränderter, erwachsen gewordener Mensch zurück zu ihrer Familie. Ewa Wikiel erzählt diese Parabel dramaturgisch geschickt und mit großer Klarheit. Sie nutzt weihnachtliche Rituale wie etwa das Essen eines Karpfens, der kurz vorher noch in der häuslichen Badewanne schwamm, um anhand von ihnen die Beziehung der Familienmitglieder zueinander deutlich zu machen. So kann sie sehr konzentriert erzählen. Es ist verblüffend, wieviel sie in den 23 Minuten des Films vermitteln kann. Eine weitere Stärke ist ihre atmosphärisch dichte Inszenierung. Virtuos arbeitet sie mit der Lichtstimmung und auch die Kameraarbeit ist bemerkenswert. So gelingt es ihr, zu zeigen, wie grundsätzlich sich am Schluss des Films das Verhältnis von Maria zu ihrer Familie verändert hat, indem sie einfach, aber sehr effektiv mit Unschärfen arbeitet. NIKOTYNA ist ein auf allen Ebenen stimmig umgesetzter Kurzspielfilm, bei dem die eigene Handschrift der Regisseurin schon deutlich zu erkennen ist und deshalb wird an ihn das Prädikat „besonders wertvoll“ vergeben.