Niemandsland - Über die Zukunft einer verlassenen Stadt

Filmplakat: Niemandsland - Über die Zukunft einer verlassenen Stadt

FBW-Pressetext

Das „Benjamin Franklin Village“ war 60 Jahre lang eine „Stadt in der Stadt“. 8000 Amerikaner lebten in dem Armeegelände der US-Streitkräfte am Rande von Mannheim, Familien der Soldaten und Angestellten bevölkerten das über 140 Hektar große Gebiet. Bis im Jahr 2012 die US-Streitkräfte das Land verließen. Seitdem liegt das Gelände brach, Hunderte Wohnhäuser stehen leer, das „Franklin“ wurde zum „Niemandsland“. In jahrelanger Projektarbeit hat die Stadt Mannheim, zusammen mit einer Wohnungsbaugesellschaft sowie dem immer wieder rückgekoppelten Rat des Stadt- und Bürgerrats, die Rückführung und Umwandlung militärischer Flächen in die zivile Nutzung geplant. Nun entsteht ein neuer Stadtteil mit Wohnraum, Arbeitsplätzen und Freizeitangeboten. Der Film NIEMANDSLAND von Philipp Kohl und Donni Schoenemond begleitet die Arbeit der Planer und Bauherren, lässt sie ihre Absichten erläutern und zeigt mit großer Aufmerksamkeit fürs Detail auch die Auseinandersetzungen und Reibungen, die ein solches Mammutprojekt mit sich bringt. Neben Projektleiter, Polier und Architekten kommen auch Mannheimer Bürger zu Wort. Wie etwa ein lokal ansässiger Künstler, der alles dafür tut, um aus dem Bestehenden das Beste herauszuholen und der die Kunst als Chance sieht, Menschen im Stadtteil zusammenzubringen. Oder eine Tierschützerin, die sich um die letzten noch ansässigen Bewohner des „Franklin“ kümmert: die Katzen, die um die brachliegenden Nutzflächen umherstreichen. Die Anekdoten dieser Menschen sorgen nicht nur für interessante Einblicke in die Materie, sondern sie erweitern auch den Blick und halten die Erinnerung an ein Stück Mannheimer Geschichte am Leben. In der Auseinandersetzung mit den Bürgern wird aber auch Kritik deutlich. Denn es stellt sich die Herausforderung, innerhalb des neuen Stadtteils auch die Stadt Mannheim in gewisser Weise zu spiegeln. Neben der Projektbegleitung hat der Film immer wieder einen poetischen und ästhetisch feinen Blick für den Ort, um den es geht. In langen Einstellungen fährt die Kamera die Häuserreihen ab, der Blick von oben auf das Gelände, die Fahrten auf den Straßen ohne Verkehr – all dies zeigt auf gelungene Weise eine Leere voller Melancholie, die danach verlangt, wieder gefüllt zu werden. NIEMANDSLAND ist eine informative und charmant gemachte Dokumentation, über die zukunftsweisenden Chancen und die komplexen Herausforderungen des modernen Städtebaus.

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm; Imagefilm
Regie:Philipp Kohl; Donni Schoenemond
Kamera:Donni Schoenemond
Schnitt:Donni Schoenemond; Philipp Kohl
Musik:Donni Schoenemond; Philipp Kohl
Webseite:;
Länge:82 Minuten
Kinostart:
Produktion: GALLIONfilmproduktion
FSK:0

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

NIEMANDSLAND wird angekündigt als neuartige, hybride Form von Dokumentar- und Imagefilm. Der Film, den die Jury als „Dokumentation“ begriff, behandelt ein städtebauliches Projekt in Mannheim: Benjamin Franklin Village, die ehemalige „Offiziersstadt“ der US-Armee, die nun zu einem eigenen, neuen Stadtteil Mannheims umgestaltet werden soll. Der Film arbeitet in seinem enormen Umfang von 80 Minuten mit gegenwärtigen Impressionen der Geisterstadt, die ihr Gesicht immer wieder ändert, mit Collagen von Erinnerungsbildern, historischen Impressionen und zahlreichen Personeninterviews, die zyklisch über den Film verteilt montiert wurden und teilweise der Rahmung dienen. Der Film dokumentiert so vor allem die unbestimmte Zwischenphase im Niemandsland einer aufgegebenen Kaserne, die von 10000 Soldaten bewohnt war und wie eine eigene Stadt funktionierte. Ehemalige Bewohnerinnen und Bewohner kommen ebenso zu Wort wie der aktuelle Architekt des Umbaus oder die Arbeiter, die den Abriss ausgewählter Viertel leiten. Dabei kommt es immer wieder zu poetischen Zwischenbildern, die aus der erwartungsvollen Ruhe der Brache schöpfen. Melancholie und Hoffnung bestimmen diese multiperspektivische Collage von Situationen, Personen und Meinungen. An einem bestimmten Punkt verändert die Nutzung der Siedlung als Flüchtlingsheim die ambitionierten Bebauungspläne, doch am Ende steht die Perspektive eines neuen Stadtviertels. Gelobt wurde das zweifellos interessante Thema und die Auswahl der Personen. So bleibt der Film inhaltlich reichhaltig und aufschlussreich in seiner Informationsdichte. Visuelle Impressionen und Musik deuten eine Ästhetisierung an, die sich nicht über die ganze Länge halten kann. Aufgebaute Emotionen hinterlassen die Frage, was daraus folgen soll. Immer wieder dominiert der Werbecharakter für ein Städtebauprojekt (der Imagefilm), wodurch das künstlerisch-essayistische Potential nach Ansicht der Jury ein wenig verschenkt wird. Nichtsdestotroz erhält NIEMANDSLAND von der Jury aufgrund seiner unbestreitbaren Stärken das Prädikat „wertvoll“.