Nellys Story

Filmplakat: Nellys Story

FBW-Pressetext

Nelly wird neun Jahre alt. Für ihre Mutter, eine begeisterte Momfluencerin, die perfekte Gelegenheit, Nelly zu filmen. Wie sie die Treppe herunterkommt, von den vielen Geschenken überwältigt und entzückt wird und natürlich auch, wie sie die Geburtstagstorte anschneidet. Doch Nelly spielt nicht mit. Denn Nelly vermisst ihren Vater, versteht nicht, warum er nicht da ist, will wissen, wann er wiederkommt. Die Mutter wird ungeduldig. Familienprobleme könne man ja später klären, aber jetzt soll Nelly mal die Kerzen ausblasen. Da schnappt sich Nelly das Handy der Mutter und sperrt diese durch einen Trick aus dem Haus aus. Am Anfang glaubt die Mutter noch an einen harmlosen Streich. Doch als auf ihrem eigenen Account immer mehr erschreckende Videos gepostet werden, gerät die Mutter in Panik. Und versucht alles, um wieder ins Haus zu kommen. Jonas Steinacker, der an der Filmakademie Wien Regie studierte, erzählt NELLY’S STORY von Anfang an als eine schlüssige, spannende und wendungsreiche Geschichte, die von Beginn an fesselt und bei der man bis zum Schluss mit kleinen und raffinierten Plot-Twists überrascht wird. Der Grundkonflikt des Films, das Recht auf Privatsphäre eines Kindes dem Selbstinzenierungswahn einer Momfluencerin gegenüberzustellen, ist hochaktuell und bedient einen gesellschaftlichen relevanten Diskurs. Darüber hinaus beweist Steinacker ein großes Talent für kluges pointiertes Erzählen. Jede noch so kleine Nebenfigur treibt die Handlung weiter voran, dazu spielt Lilith Häßle die Ambivalenz ihrer Mutterfigur voll aus. Man glaubt ihr die Verzweiflung um das Kind, aber kleine Gesten hier und da verraten, dass die Fixierung auf die Selbstdarstellung einer ‚heilen‘ Social-Media-Welt immer mitschwingt. NELLY’S STORY ist der perfekte Beweis dafür, dass ein kluges Drehbuch und eine Inszenierung mit genauem Timing perfektes Kurzfilm-Kino ergeben.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Drama; Kurzfilm
Regie:Jonas Steinacker
Darsteller:Lilith Häßle; Luise Spiegel; Karin Eva Meisel; Björn Büchner; Thomas Kasten; Sebastian Egger; Tom Hanslmaier; Nils Strunk
Drehbuch:Jonas Steinacker
Kamera:Konstantin Johann
Schnitt:Leyla Jaff
Webseite:filmakademie.wien;
Länge:18 Minuten
Produktion: Filmakademie Wien - Institut für Film und Fernsehen
Förderer:Filmakademie Wien

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Hier wird eine Story ganz auf der Höhe der Zeit erzählt. Die neunjährige Nelly wird von ihrer Mutter in Instagram-Posts und Stories zur Schau gestellt. Doch auf ihrer Geburtstagsparty, die sie allein mit ihrer Mutter verbringt, weigert sich das Kind, weiter eine heile Familienwelt vorzuspielen und übernimmt mit dem Smartphone der Mutter die Regie. Sie verbarrikadiert sich im Haus, filmt die immer genervter agierende Mutter und stellt die Aufnahmen ins Netz. Die ausgesperrte Mutter ist hilflos und wird zunehmend verzweifelter, während Nelly nun souverän auf dem Account der Mutter zurückschlagen kann. Die Geschichte wird mit einer fast mathematischen Präzision und Ökonomie erzählt. Da stimmt jedes Bild, jede Geste und jeder Dialogsatz. Und es wird zugleich sehr nuanciert und pointiert von den Auswüchsen der digitalen, ‚sozialen‘ Mediengesellschaft erzählt. Da ruft der Dienstleistende von einem Schlüsseldienst „gerne“ die Polizei, wenn eine Situation ein wenig persönliches Engagement erfordern würde, und die Mutter vergisst bei aller Sorge um ihre Tochter nie, welches Bild sie in der Öffentlichkeit abgibt. In einer Kernszene entdeckt sie eine Frau, die von der Straße aus Handyaufnahmen von den Aktionen vor dem Haus macht. Wütend schreit sie der Frau hinterher, diese habe nicht das Recht, diese Bilder von ihr zu machen, während sie selber mit ihren Posts die Persönlichkeitsrechte ihrer Tochter permanent verletzt. Jonas Steinacker hat hellsichtig eine beunruhigende Entwicklung in der heutigen Medienkultur analysiert und sowohl mit seinem Drehbuch wie auch mit der Inszenierung einen Weg gefunden, dies zugleich komplex und mit großer Klarheit zu einem herausragend gut gelungenen Kurzfilm zu verdichten. Sehr gerne vergibt die Jury hierfür das höchste Prädikat BESONDERS WERTVOLL.