Nackt unter Wölfen

Kurzbeschreibung

Ende des 2. Weltkrieges wird ein jüdisches Kleinkind in ein Konzentrationslager geschmuggelt und wird für das ganze Lager zum Symbol des Lebens
Prädikat wertvoll

Filminfos

Gattung:Drama; Spielfilm
Regie:Frank Beyer
Darsteller:Herbert Köfer
Drehbuch:Bruno Apitz
Produktion: DEFA Studio Babelsberg GmbH, Potsdam, Pegasus-Film;

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Gegen Ende des Krieges wird in ein Konzentrationslager ein jüdisches Kind eingeschmuggelt. Für eine führende Gruppe unter den Häftlingen, indirekt aber für das ganze Lager wird dieses Kind zum Symbol des Lebens, der Hoffnung, zu einem Prüfstein der menschlichen Bewährung, zu einer bewegenden Kraft des Widerstandes.
Dieser Geschichte liegen tatsächliche Begebenheiten zugrunde; der Film erzählt sie (nach dem Roman von Bruno Apitz) eindringlich in Fotografie und Darstellung, aber nicht ohne Schwächen des Drehbuchs und der Regie. Dabei erhebt sich freilich die Frage, ob diese Schwächen nicht so sehr „filmischer“, z.B. regietechnischer Art sind, sondern tiefer liegende Ursachen haben: es scheint unmöglich zu sein, die KZ-Realität von damals in einer filmischen Rekonstruktion zutreffend und überzeugend darzustellen. Schon dem Begreifen derer, die jene Schrecken erlebt haben, waren Grenzen gesetzt. Man sollte demnach bei der Beurteilung solcher Rekonstruktion nicht außer Acht lassen, dass in Bezug auf die Wiedergabe der Wirklichkeit nur Annäherungswerte erreicht werden können, vor allem, wenn es nicht in erster Linie um eine künstlerische Überhöhung der Wirklichkeit geht, sondern mehr um einen Bericht dokumentarischen Charakters.
Bei dem vorliegenden Versuch merkt man bald, dass sich fast automatisch die Mittel der Konvention einstellen. Die Konvention hat dabei anscheinend nur zwei mögliche Pole: die Verdammung bzw. Abschreckung, und die Heroisierung auf der anderen Seite. Beides kann nur Ausschnitte aus der Wirklichkeit sinnfällig machen – oder aber an ihr vorbeigehen.
„Nackt unter Wölfen“ heroisiert. Die Häftlinge sind für das Kind zu jedem Opfer und Leiden bereit.
Das geschieht in diesem Film mit einer gewissen Unterschätzung und Nichtbeachtung des tatsächlichen physischen und moralischen Elends. Den Häftlingen ist bei allem „zitierten“ Terror des KZ nichts von ihrer menschlichen Würde, ihrer Entschlussfreiheit und inneren (zum Teil sogar auch materiellen) Widerstandskraft geraubt. Gerade das geht aber an einem wesentlichen Punkt der KZ-Realität vorbei. Das außergewöhnliche, fast (wenn es nicht Beispiele dafür gäbe) schon nicht mehr glaubhafte Heldentum wird zur menschlichen Norm erhoben. Das gilt nicht nur von den Führern des Widerstands im Lager – im Gegensatz zu allem, was man aus den Dokumenten der Befreiungstage kennt, läuft, springt, springt hier die Masse der Gefangenen in einem grandiosen Sturm gegen die Tore und die Freiheit. Hier ist szenisches (und konventionelles) Pathos gegen die Realität gesetzt, die Symbolkraft dieser Schlussszenen erweist sich nicht stark genug für eine Appell an das Gewissen der Nachwelt, das Pathos wird äußerlich, indem es nur noch die Unzerstörbarkeit der kommunistischen Idee auch in extremen Belastungen verkünden will. In der Erfüllung dieses parteipädagogischen Solls gerät das eigentliche Hauptmotiv des Films, nämlich das Kind und seine Rettung, allzu sehr an den Rand.
Es soll deutlich vermerkt werden, dass solche negativen Befunde in einer Diskussion zur Sprache kamen, die um die Frage „Wertvoll“ oder „Besonders wertvoll“ ging. Denn der Film hat eine ganze Reihe von Vorzügen und starken Momenten. Sie liegen insbesondere bei den Darstellern der Hauptrollen, die schon von den Typen her, aber auch in der individuellen Darstellung gut und treffend nuanciert sind, mit überzeugender Differenzierung der Charaktere auch auf der Seite der SS-Offiziere. Die Qualität der literarischen Vorlage ist im Film durchaus noch spürbar.
Der Regie und Fotografie sind szenische Höhepunkte gelungen, z.B. das gespielte Verhör in der Zelle oder etwa die häuslichen Diskussionen zwischen einen der SS-Führer und seiner Frau. Die Fotografie verzichtet auf Übertreibungseffekte, während der (im Ganzen sehr prägnante) Schnitt oberflächliche oder grobe Gegensatz-Effekte gelegentlich nicht vermeidet.
Mit dem Prädikat „Wertvoll“ glaubt der Bewertungsausschuss der Qualität des Films gerecht zu werden.