Jury-Begründung
Prädikat besonders wertvoll
Welche Bilder können die Erfahrung von toter Zeit vermitteln? Zeit, in der nichts passiert, in der jeden Tag wieder die gleichen Rituale ausgeführt werden? Zeit, die abgesessen werden muss? Steffen Goldkamp hat Insassen der Jugendstrafanstalt Hahnöfersand bei Hamburg gefilmt. Doch durch die Kadrierung vermeidet er jedes Zeichen von Persönlichkeit. Er zeigt keine Gesichter, sondern Körper. Körper, die sitzen, liegen, schlafen und essen. Hände, die versuchen etwas zu verstecken. Andere Hände, die Briefe öffnen, um deren Inhalt zu kontrollieren. Mit der Freiheit wird den Verurteilten auch die Individualität genommen. Kleine Reste davon setzten sich durch, wenn etwa ein Telefongespräch nach außen geführt wird. Steffen Goldkamp gelingt es so, die Leere des Lebens im Gefängnis spürbar zu machen. Der Film erfordert Aufmerksamkeit, denn von den gezeigten Fragmenten versucht man unwillkürlich aufs Ganze zu schließen. Und im letzten Drittel gibt es dann noch zwei überraschende Stilwechsel, die die Faszination des Kurzfilms nur noch vergrößern. Nachdem bis dahin durch ein raffiniertes Sounddesign mit Geräuschen und vereinzelten Stimmen die Leere im Gefängnis auch ihre akustische Entsprechung fand, hört man plötzlich eine Streichersonate von Beethoven. Und für eine Sequenz verlässt die Kamera den Knast und zeigt eine junge Frau in einer Betonlandschaft, die draußen auf ihren inhaftierten Freund wartet. So gelingt es Goldkamp, ständig zu überraschen, und auch deshalb wirkt sein Film kürzer als seine 19 Minuten.