Nach dem Fest
FBW-Pressetext
Andi hat keine Wohnung mehr. Sein Zuhause sind die Straßen, die Aufenthaltsräume in der Stadtmission, die Bahnunterführungen in der Innenstadt. Hier trifft Andi auf Sandra. Zusammen erkunden die beiden die Nacht, laufen bis zu den Schrebergärten in der Vorstadt, dorthin, wo die, die ein festes Zuhause besitzen, einen kleinen Feriensitz haben. Als Andi und Sandra in eines der Wochenendhäuser einbrechen, können sie für einen Moment so tun, als ob ihr Leben einen gemeinsamen Halt hat. Doch wie lange kann eine Illusion halten? Der Kurzspielfilm von Hannes Schilling zeigt auf beeindruckend authentische Weise die Situation von obdachlosen Menschen. Zusammen mit Laiendarstellern erarbeitet, gelingt Schilling ein fast dokumentarischer Blick auf eine sehr private und intime Situation. Die Szenen selbst gehen ohne Hast und Hektik ineinander über, die Kamera ist nah bei Andi und Sandra, denen Andreas Retzlaff und Christa Ostolski nicht nur ein glaubwürdiges Gesicht, sondern auch einen nachvollziehbaren emotionalen Ausdruck verleihen. Und zwischen all der realistischen Härte gelingen NACH DEM FEST auch immer wieder warme und nahezu magische Momente, die der Kälte der tatsächlichen Situation gegenüberstehen, nie aber in Kitsch abdriften. Ein beeindruckender Kurzfilm, voller Sensibilität und Kraft.Filminfos
Gattung: | Kurzfilm; Fiktion |
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Regie: | Hannes Schilling |
Drehbuch: | Hannes Schilling |
Kamera: | Samuel Hölscher |
Schnitt: | Paul Gröbel |
Musik: | Frank Schöbel |
Länge: | 14 Minuten |
Verleih: | Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf |
Produktion: | Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF |
FSK: | 12 |
Förderer: | Filmuniversität Babelsberg |
Jury-Begründung
Im Allgemeinen werden Obdachlose hierzulande vorrangig über jene Attribute wahrgenommen, die sie klar aus unserem bürgerlichen Normbereich ausschließen lassen: fehlende Hygiene, Alkoholismus, Nutzlosigkeit, Entfremdung. Das öffentlich präsente Bild von Obdachlosen und ihrem Milieu ist fast durchgehend bar jeder Würde gezeichnet. Regisseur Hannes Schilling benötigt gerade einmal 14 Minuten, um diesem gängigen Bild sehr einfühlsam mit einem ganz eigenen Blick entgegen zu treten. Glaubwürdig, authentisch und auf würdevolle Art erzählt er uns, wie mit Sandra und Andi zwei obdachlos lebende Menschen für einen Abend zusammenfinden. Gerade Nähe und das sich Einlassen auf jemanden scheint für beide etwas, das ihnen absolut widerstrebt, und doch spüren wir, dass die Sehnsucht nach Liebe, nach Berührungen tief in ihnen verborgen liegt. Es ist eine enorme Stärke des Films, genau über diese Sehnsüchte, die uns allen Menschen gemein sind, eine identifikatorische Brücke zu schlagen zu diesen beiden Outlaws, die noch in den ersten Momenten des Films so sehr jenen gängigen Stereotyp zu bestätigen schienen.Viel gesprochen wird im Film nicht, Schilling inszeniert Sandra und Andi vor allem über ihre Körper und macht sie dadurch für die Zuschauer noch einmal intensiver emotional erfahrbar. Umso schöner, dass sich beide dann ausgerechnet über ein Wörterspiel annähern – so, als müssten sie auf allen Ebenen Ausdrucksweisen üben und ihre Kommunikation aufeinander einstellen. Die beiden Schauspieler begeistern mit ihrer Natürlichkeit, und auch die formale Umsetzung unterstützt in allen Belangen das Ziel, dem Zuschauer diesen anderen Blick zu ermöglichen: Ausgehend vom Dokumentarisch-Beobachtenden am Beginn des Films wird der Zuschauer immer tiefer in den Identifikationsprozess gezogen, bis der abrupt endet und den Betrachter mit einer einzigen Bildkomposition auf den Boden der Tatsachen zurückwirft. Ein wichtiger Film, der nicht nur formal-filmisch, sondern auch in seiner Funktion als sozialkritischen Kommentar der Jury unbedingt „besonders wertvoll“ erscheint.