My Mirror

Filmplakat: My Mirror

FBW-Pressetext

Als sie geheiratet hat, strahlte sie. Auf jedem einzelnen der Fotos, die eine typisch traditionelle indische Zeremonie zeigen. Doch jetzt, ein Jahr danach, ist die junge Frau allein in einem Haus, zusammen mit ihrer Schwiegermutter, während ihr Mann weit weg von ihr arbeitet und nie Zeit für sie hat. Also versucht sie sich die Zeit mit Videos zu vertreiben, die sie von sich selbst für eine social media-Plattform dreht. Bald schon hat sie viele Fans, mit einem der User dreht sie sogar zusammen, die Community liked, was sie macht und sie ist glücklich. Doch ihre Schwiegermutter erinnert sie, dass sie als gute indische Hausfrau andere Pflichten habe – und auch ihr Mann wird immer wütender, als er die Videos sieht. Denn das, was sie macht, ist für ihn einfach nur eine Schande – und damit ist sie als Ehefrau für ihn wertlos. In ihrem Kurzfilm greifen die Drehbuchautorin Franziska Schönenberger und der Regisseur Jayakrishnan Subramanian ein hochaktuelles Thema auf: Die Unterdrückung der Frau in der indischen Gesellschaft, in der neue Medien auf alte Traditionen treffen. Die gesamte Geschichte ist nur durch Handyaufnahmen und die Interaktion der jungen Frau mit einzelnen Apps gefilmt. Immer mehr wird man als Zuschauer*in Teil der Geschichte, die unglaublich klug in ihrer Dramaturgie und ihrer Spannung aufgebaut ist. Dass die Protagonistin im Laufe des Films sich immer stärker westlich kleidet und lockerer agiert, steht im krassen Gegensatz zu den engen Begrenzungen, mit denen sie zuhause konfrontiert wird. Und so wird der kleine Handybildschirm zu einem symbolischen Sehnsuchtsort der Freiheit, an dem man vor der Realität fliehen kann und in dem es fast möglich erscheint, sich selbst zu verwirklichen. Ein starkes filmisches Plädoyer für das Aufbrechen alter Strukturen und die Selbstverwirklichung junger Frauen.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Kurzfilm
Regie:Jayakrishnan Subramanian
Darsteller:Athira Sukumaran; Patrick B. Yogarajan
Drehbuch:Franziska Schönenberger
Kamera:Carla Muresan
Schnitt:Robert Vakily
Musik:Vedanth Bharadwaj; Bindhumalini Narayanaswamy
Länge:18 Minuten
Produktion: Family Business Film Franziska Schönenberger

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Die frisch verheiratete Mythili, eine junge Frau in Indien, fühlt sich isoliert und alleine im Haushalt ihrer Schwiegermutter. Ihr Mann ist kurz nach der Hochzeit - die Ehe ist arrangiert – zum Arbeiten nach Dubai gegangen und noch nicht zurück. Zum einjährigen Hochzeitstag fertigt sie mit dem Smartphone für ihren Mann ein Video an, aber er hat kaum ein Auge dafür. Dann entdeckt Mythili die App "My Mirror" und beginnt, weitere Fotos und Videos von sich zu posten. Sie findet Fans und beginnt schließlich eine Internetfreundschaft mit einem anderen "My Mirror"-User, einem jungen Mann. Während ihre Freude am Leben durch das virtuelle Feedback steigt, beklagt sich die Schwiegermutter beim Sohn über ihr Verhalten. Der Mann beginnt Mythili Vorwürfe zu machen und verdächtigt sie der Untreue. Schließlich fordert er, sie solle die App löschen. Verzweifelt entscheidet sich Mythili dazu, einen radikalen Schritt zu tun - vor laufender Kamera...
Das Regieduo Franziska Schönenberger und Jayakrishnan Subramanian erzählt diese kleine Geschichte fast durchgängig mit den Mitteln der Social Media - mittels Smartphonevideos, Facetime-Telefongesprächen und SMS-Nachrichten. Eine eingeblendete Liste von entgangenen Anrufen kann in diesem Kontext genauso aussagekräftig sein, wie über den Bildschirm huschende Kommentare von wegen "Sie inszeniert sich, um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen". Sehr authentisch gespielt, gelingt es dem Film mit diesen einfachen, reduzierten Mitteln, die komplexe Lage der jungen Frau deutlich zu machen, die nach der Eheschließung den Traditionen gehorcht, bei der Schwiegermutter lebt und im Haushalt hilft, während der ihr kaum bekannte Ehemann im Ausland weilt und für sentimentale Ferngespräche nicht zu haben ist. In den Videos, die die junge Frau über sich für die fiktive App "My Mirror" dreht, wird außerdem in subtiler Weise eine zunehmende Befreiung und Herauslösung aus den traditionellen Normen abgebildet. Sehr nachvollziehbar erscheint die verzweifelte Reaktion auf die verständnislose Strenge, mit der Ehemann und Schwiegermutter sie schließlich zurück in die Grenzen der traditionellen Hausfrau und Schwiegertochter weisen. In der Diskussion lobte die Jury den originellen Einsatz des Smartphones als Erzählmittel und gleichzeitigen Erzählgegenstand. Auch die Tatsache, dass im Unterschied zu vielen Filmen, die soziale Medien zum Thema haben, es hier einmal nicht auf eine grundsätzliche Kritik oder gar ein "Bashing" der Social Media-Kultur hinauslief, fiel positiv auf. Anders als üblich zeigt der Film einmal die identitätsstiftenden Möglichkeiten von Apps wie Instagram, Tiktok und Ähnlichem auf, ihre Tröstungsfunktion für einsame Menschen und ihre Katalysatoren-Wirkung im Hinblick auf individuelles Emanzipations- und Autonomiestreben.