Filminfos
Gattung: | Spielfilm |
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Regie: | George Cukor |
Darsteller: | Audrey Hepburn; Rex Harrison; Wilfried Hyde-White; Stanley Holloway; Jeremy Brett; Mona Washbourne; Gladys Cooper; Theodore Bike; Isobel Elsom; John Holland |
Drehbuch: | Alan Jay Lerner |
Kamera: | Harry Stradling |
Schnitt: | William Ziegler |
Musik: | Frederick Loewe |
Länge: | 216 Minuten |
FSK: | 12 |
Jury-Begründung
Der Bewertungsausschuß verlieh das Prädikat „Wertvoll".Das Musical „My Fair Lady" ist hier als aufwendiges Märchen inszeniert. Wenn der Ausgangspunkt des Spiels von Shaw herrührt; so kann zweifellos ein Musical Geist und Witz der Vorlage nicht ganz übernehmen. Wenn also Momente des Sentimentalen sich aufdrängen, wenn ein bißchen Gartenlaube ins Spiel gerät, so ist dies nicht von vornherein der Regie anzulasten. Aber es ist einzuwenden, daß die Regie es nicht in ausreichendem Maße verstanden hat, die formalen Möglichkeiten der Ironie, die sich wie von selbst darbieten, wahrzunehmen. Ironie müßte zur Stilisierung führen. Das ist gelungen bei dem Rennen von Ascott. Hier wird eine farbig nuancierte Szenerie durch pantomimische Bewegung in jene Distanz gebracht, die jegliche Beziehung zur Wirklichkeit ausschließt. Hier hat also auch die Regie eine dem Märchen entsprechende Pointe gefunden. Leider ist solche Pointierung nicht durchgehend festzustellen. So bleibt beispielsweise jene Phase, die das Blumenmädchen Elisa Doolittle in den Slums von London zeigt, naturalistisch orientierte Attrappe. Hier erhält das Spiel eine gewisse Verbindlichkeit im Sinne des Pseudorealismus. Für die Gesamtanlage der Regie bedeutet das einen unübersehbaren Stilbruch. Ebenso paßt es nicht in die Märchensituation, wenn der Vater Elisa Doolittles vor dem Professor Higgins seine Lebensphilosophie entwickelt. Es ist die amoralische Lebensphilosophie des Asozialen, der, wie Higgins sich mokant ausdrückt, sich als höchst „origineller Moralist" ausweist. Hier ist die Wendung zu Shaw hin besonders stark. Das Spiel bleibt aber im Bereich eines aufwen¬digen Kostümrealismus, wenn der Empfang bei der transsylvanischen Königin stattfindet und Elisa Doolittle sich dort als Dame zu erweisen hat. Die derart markierten stilistischen Unebenheiten mindern ein mit viel elegantem Aufwand und darstellerischer Intelligenz angerichtetes Spiel. Es muß von darstellerischer Intelligenz die Rede sein bei Rex Harrison, der den Professor Higgins souverän, mokant, in jedem Falle aus der Distanz eines Gentlemans spielt, der sich eine etwas krause Lebensauffassung zugelegt hat. Von Audrey Hepburn wäre zu bemerken, daß sie als Blumenmädchen Elisa wohl allzu zart und sensitiv wirkt.
Wenn sie später in jene bereits zitierte Märchensituation gerät, kann sie sich ganz auf ihre aparte Erscheinung verlassen. Hier überzeugt sie völlig. Im ganzen ist festzustellen, daß aufwendige Gartenlaube mit Ironie im Wettbewerb liegt. Von gefälligen Melodien und attraktiver Dekoration unterstützt, überwiegt die Gartenlaube, die immerhin formal derart an den Rand ihrer Möglichkeiten getrieben ist, daß sie hin und wieder wie Parodie wirkt. (Theo Fürstenau)
Der Film erhielt im Hauptausschuß das Prädikat „Besonders wertvoll".
Der Ausschuß hat die formalen Probleme dieses großen Musicals ausgiebig diskutiert. Der Bewertungsausschuß hatte eingewandt, daß die Regie die formalen Möglichkeiten der Ironie nicht durchweg und ausreichend genutzt habe, um den Filmstoff zu stilisieren. Der Bewertungsausschuß sieht seine Idealforderung am deutlichsten in den in der Tat köstlich stilisierten, choreographisch und dekorativ vortrefflichen Szenen des Rennens von Ascott verwirklicht. Der Hauptausschuß stimmt in der Beurteilung des hohen künstlerischen Ranges der Ascott-Szenen mit dem Bewertungsausschuß überein.
Er geht aber in der Beurteilung der Gesamtleistung von anderen Voraussetzungen aus. „My Fair Lady" ist das in der ganzen Welt bekannteste und erfolgreichste Musical. Die Gattung ist eine Mischform. Sie enthält ein literarisches Thema in operettenhafter Form, sie ist formal als eine Mischform aus Gesang, Ballett, Dialogen und viel zündender Musik zu charakterisieren. Der Antragsteller hat auf die spezifischen Qualitäten als musikalisch-dramatisches Unterhaltungsspiel hingewiesen.
In dieser Gattung ist das verfilmte Musical zu bewerten. Die darstellerischen Qualitäten erreichen höchste Perfektion, wenn man auch einwenden kann, daß Audrey Hepburn für die Szenen des armen Blumenmädchens nicht die von Shaw her wünschbare Sprödigkeit und proletarische Härte mitbringt. Die Ausstattung ist von delikater Erlesenheit, farbig und dekorativ, teils prachtvoll, teils leicht und gefällig erfunden. Die Filmfarben sind mit Geschmack komponiert. Die Kamera wird mit perfekter Könnerschaft geführt. Was dem Film aber in seiner Kategorie besondere Wirkungen sichert, ist über die Perfektion hinaus der elegante Schwung, der der flüssigen, niemals groben Regie verdankt wird, ist die Schönheit der Bilder und nicht zuletzt die feine Ironie, die sich inmitten von Dekor, Kostüm, Gesang und Effekten immer wieder behauptet. Es steht nicht zur Diskussion, wie das Musical als Gattung künstlerisch zu beurteilen ist. Innerhalb der Gattung ist der Film „My Fair Lady" ein Opti¬mum an filmischer Realisation und hat darum das höchste Prädikat erhalten. (Karl Korn)