Meinungsaustausch
FBW-Pressetext
Wenn man Geflüchtete im Bild sieht, hat man als Zuschauer eine Erwartungshaltung an die Sprache. Wenn man „besorgte Bürger“ sprechen hört, hat man eine ebensolche Erwartung an ihre visuelle Darstellung. In MEINUNGSAUSTAUSCH kombinieren die Filmemacherinnen Sophie Linnenbaum und Sophia Bösch beide Aspekte und geben ihnen dadurch einen besonderen Twist. Und so hören wir Menschen, die ihren Vorurteilen über ausländische Mitbürger freien Lauf lassen – aber auf der Bildebene sehen wir eben jene Mitbürger, über die gerade gesprochen wird. In einer Art Playback legen Linnenbaum und Bösch ihnen die Worte in den Mund – und reflektieren auf diese Weise nicht nur die Ressentiments eines Großteils der deutschen Bevölkerung, sondern spielen auch geschickt mit der Erwartungshaltung und der stereotypen Vorstellung in jedem einzelnen Zuschauer. Und so ist der experimentelle Kurzdokumentarfilm MEINUNGSAUSTAUSCH ein Film, der in nur vier Minuten ein unglaublich kluges, politisches und entlarvendes Statement zu einem hochaktuellen Thema abgibt.Filminfos
Gattung: | Dokumentarfilm; Experimentalfilm; Kurzfilm |
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Regie: | Sophie Linnenbaum; Sophia Bösch |
Drehbuch: | Sophie Linnenbaum; Sophia Bösch |
Kamera: | Janine Pätzold |
Schnitt: | Andrea Herda-Muñoz |
Webseite: | ; |
Länge: | 4 Minuten |
Produktion: | Sophie Linnenbaum, Sophia Bösch, in Koproduktion mit Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF |
Jury-Begründung
Zunächst wähnt man sich buchstäblich im falschen Film: Da sprechen junge Männer, die man instinktiv und nach dem ersten Anschein sofort als Migranten identifiziert, Sätze, die ihnen offensichtlich in den Mund gelegt wurden. Sätze, wie man sie derzeit in Deutschland oft hören muss - aber halt stets von Deutschen oder zumindest Menschen, die schon länger hier wohnen. Sätze voller Misstrauen, Angst und auch Hass. Bis man sich dann an den Titel des Films erinnert und begreift, dass hier einfach eine Umkehrung, ein Meinungsaustausch stattgefunden hat. Und dieser „Austausch“ verstärkt das Gesagte und verdeutlicht dessen Absurdität.Ähnlich wie in ihrem Kurzfilm [OUT OF FRA]ME vermischt Sophie Linnenbaum gemeinsam mit Sophia Bösch auch hier auf gekonnte Weise Strategien und Techniken aus der Welt des Films, um die Realität auf den Kopf zu stellen. Reale Aussagen besorgter Bürger werden von Migranten synchronisiert und zum Teil mit viel schauspielerischem Talent dargestellt. Eine stimmige Idee, die clever umgesetzt wird und bei der es die Jury nicht im Geringsten störte, dass die Filmemacherin nicht - wie man es vielleicht hätte erwarten können - auch den umgekehrten Weg ging und Aussagen von Migranten Deutschen in den Mund legte.
Ein gelungener Beitrag zur so genannten „Flüchtlingsdebatte“, der mit einfachen Mitteln, aber höchst effizient den Finger auf die Wunde unserer Vorurteile legt.