Mein erstes Wunder

Kinostart: 08.05.03
2002
Filmplakat: Mein erstes Wunder

FBW-Pressetext

Die aus der Sicht eines 11jährigen, pubertierenden Mädchens erzählte, unschuldige Liebesbeziehung zu einem älteren Familienvater steht im Mittelpunkt dieses sensiblen, fantasievollen und kunstvoll gebauten Erstlingsfilms.
Prädikat wertvoll

Filminfos

Gattung:Drama
Regie:Anne Wild
Darsteller:Juliane Köhler; Leonard Lansink; Henriette Confurius
Drehbuch:Anne Wild
Länge:96 Minuten
Kinostart:08.05.2003
Verleih:Nighthawks Pictures
Produktion: Jost Hering Filme, SWR;
FSK:12

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Dole und Hermann, sie steht am Beginn der Pubertät, er ist Mitte vierzig, was sie verbindet ist die Suche nach ihrem jeweiligen Platz in der Gesellschaft, erst nur innerhalb ihres direkten sozialen Umfeldes, später innerhalb der gesamten Gesellschaft.
Dole fühlt sich von ihrer alleinerziehenden Mutter vernachlässigt, die sich momentan nach nichts mehr sehnt, als wieder einen Mann an ihrer Seite zu haben, und von der Situation, zwischen den eigenen und den Bedürfnissen ihrer Tochter zu vermitteln, überfordert ist. Hermann hingegen wird zwar von seiner Frau geliebt, wegen seiner kindlich naiven Art von seinen Stiefkindern jedoch abgelehnt und fühlt sich als Fremdkörper innerhalb der eigenen Familie.
Beide treffen im Urlaub aufeinander, was sie zu verbinden scheint, ist die gemeinsame Fantasiewelt, die sie nach und nach aufbauen, und in die ihnen niemand folgen kann. Als sie nach der Rückkehr aus dem Urlaub versuchen, sich ihr eigenes Leben außerhalb der Welt der Erwachsenen aufzubauen, wird immer deutlicher, daß die Verbindung zwischen ihnen auf unterschiedlichen, nicht zu vereinbarenden Vorstellungen beruhte. Auf die Dauer findet die Fantasiewelt Hermanns keine Entsprechung in der Doles. Aus Hermanns Freundschaft zu Dole erwächst ein Besitzdenken, während Hermann seine Funktion für Dole erfüllt hat und sie ihn immer weniger zur Orientierung in der Welt der Erwachsenen braucht.
In poetischen Bildern schafft es die Regisseurin, die Zuschauer in den Bann zu ziehen, sich in Doles Probleme einzufühlen und das Besondere der Beziehung zu Hermann nachvollziehbar zu machen. Erst im nachhinein erschließt sich die volle Bedeutung vieler der kunstvoll gebauten und verknüpften Szenen. So begreift man erst gegen Ende, wie unterschiedlich die Welt der beiden Hauptdarsteller ist, wenn man sich noch einmal vor Augen führt, daß Hermann, der Nichtschwimmer, eigentlich nie wirklich imstande war, Dole tauchend in die Welt der Meereselfen zu folgen, die er anfangs ja selbst nur für eine aus der Situation heraus entstandene Erfindung hielt.
Momente des Weglassens, das nie gezeigte Foto der Unterwasserelfen, oder die Dialogführung, Antworten und Reaktionen auf nie direkt gestellte Fragen zwischen den beiden Frauen, die tiefe persönliche Bedeutung des inhaltlich eigentlich belanglosen Briefs, den Hermann an Dole schreibt, schaffen es, die für Mutter und Ehefrau nicht nachvollziehbare Intimität auf den Zuschauer überspringen zu lassen. Alle Haupt- und Nebendarsteller sind von überaus großer Überzeugungskraft, die Kamera schafft es auf beeindruckende Weise, die emotionalen Grenzbereiche aller Beteiligten auszudrücken.
Auch wenn es sich bei den beiden suchenden Frauen, mal mit, mal ohne den Bruder von der Polizei, nur um einen Nebenerzählstrang handelt, fällt dieser im Vergleich zur Haupthandlung in seiner Stringenz immer wieder zu sehr ab, wirkt in der Führung bruchstückhaft. Insbesondere der Schluß des Films, das Verschwinden Hermanns in einen inszenatorisch nahegelegten Freitod, ist aus Sicht des Ausschusses unbefriedigend, die Lösung ist zu eindimensional im Vergleich zur Vielschichtigkeit der restlichen Geschichte, die Aufnahmen sind im Verhältnis zu den übrigen poetischen Szenen von einer nur oberflächlich sinntragenden Bildsprache.