Martha Jellneck

Kinostart: 04.08.88
1988

Kurzbeschreibung

Eine 72jährige kranke Frau, die ihre Wohnung nicht mehr verlassen kann, stößt durch Zufall auf einen ehemaligen Hauptscharführer, der die Identität ihres gefallenen Stiefbruders angenommen hat, und vergiftet ihn.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Drama; Spielfilm
Regie:Kai Wessel
Länge:94 Minuten
Kinostart:04.08.1988
Produktion:

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Mit dem höchsten Prädikat honoriert der Bewertungsausschuss das Gelingen eines filmischen Lehrstücks, eines Films, der überzeugend demonstriert, dass eine starke Geschichte, sensibel inszeniert und getragen von einer schauspielerischen Persönlichkeit, keiner aufwendigen finanziellen Mittel bedarf, um künstlerische Exklusivität zu erlangen.

Wie eine alte Frau durch Zufall einem Kriegsverbrecher nach fast einem halben Jahrhundert auf die Spur kommt und dieses aus eigenem Entschluss sühnt: das wird im Zusammenspiel zwischen klug aufgebautem Drehbuch, souveräner Inszenierung und authentischem Milieu einer beeindruckenden Interpretation zugeführt. Was immer sich Gutes über Kamera, Ausstattung und Atmosphäre sagen lässt - es wird zu einem geschlossenen Eindruck erst verschmolzen durch Heidemarie Hatheyer in der Titelrolle, die, in fast jeder Einstellung präsent und dennoch niemals an menschlicher Ausstrahlung und mimischer Kraft einbüßend, vom ersten bis zum letzten Bild den Film zusammenhält: beeindruckende Bilanz eines Schauspielerlebens, dem in seiner großen Zeit eine vergleichbare künstlerische Aufgabe nur selten gestellt wurde. Die ganze Palette ihres Könnens auszubreiten, wird der Hatheyer hier gestattet; sie steht zugleich im Dienst einer politischen Aufgabe: selten wurde deutsche Vergangenheitsbewältigung "privater" vorgeführt als hier. Nicht zu vergessen die soziale Komponente: Das Thema Einsamkeit wird nicht nur angesprochen, sondern im Kontakt mit diversen Bezugspersonen nahezu ausdiskutiert.

Besondere Anerkennung zollt der Bewertungsausschuss dem dramaturgischen Aufbau dieser Geschichte, die ihre Inhalte hauptsächlich durch die Selbstgespräche der alten Frau unaufdringlich vermittelt und den Kriminalfilm, der sich plötzlich anbietet, zugunsten der psychologischen Entwicklung eingrenzt.