Marga und der Wal
FBW-Pressetext
Marga war noch ein Kind, als der Wal an Land gespült wurde. Es war der Erste Weltkrieg, sie lebte auf Sylt, ging zur Schule. Doch eines Tages war da dieser Wal. Am Anfang kämpfte er noch um sein Leben, dann aber starb er und lag einfach da. Und da Krieg war und jeder Hunger hatte, machten die Menschen das, was sie machen mussten. Und Marga war dabei. Mit 101 Jahren erinnert sie sich an diese Zeit und erzählt davon. Der Filmkünstlerin Annette Ortlieb ist es gelungen, mit ihrem Kurzfilm MARGA UND DER WAL ein Zeitzeugnis auf die Leinwand zu bannen, das die Zeit wieder lebendig werden lässt. In Marga hat sie eine Protagonistin gefunden, die auch in hohem Alter noch so voller Leben und Esprit erzählt, als wäre es gestern gewesen, als alle Kinder mit kleinen Messern zum Strand herunter liefen, um ein Stück vom Wal zu ergattern. Es gibt noch mehr Anekdoten, die Marga erzählt und die die Zeit des Ersten Weltkrieges auf der Insel lebendig werden lassen. Untermalt werden die Geschichten mit historischen Aufnahmen und Fotos, aber auch aktuellen Strandimpressionen der wunderschönen Sylter Landschaft. Und doch kommt die Kamera immer wieder zu Marga zurück, zeigt ihr Gesicht, ihre Hände, die ebenso lebendig wirken wie der Rest von ihr. Das Traurige für den Zuschauer ist, dass Marga mittlerweile verstorben ist. Doch das Tröstende ist, dass diese Aufnahmen von ihr erhalten sind. Aufnahmen, die mehr sind als ein Film. Es sind die Erinnerungen einer wunderbaren Frau an eine Zeit, die längst vergangen ist. Und in die der Zuschauer durch Margas Erzählung zurückkehren kann.Filminfos
Gattung: | Dokumentarfilm; Kinderfilm; Kurzfilm |
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Regie: | Annette Ortlieb |
Drehbuch: | Annette Ortlieb |
Kamera: | Henry Fried; Annette Ortlieb |
Schnitt: | Margot Neubert-Maric |
Webseite: | inseltöchter.de; |
Länge: | 8 Minuten |
Produktion: | Inseltöchterfilm Annette Ortlieb |
Förderer: | Filmbüro Bremen |
Jury-Begründung
Die FBW-Jury hat dem Film das Prädikat besonders wertvoll verliehen.In den vergangenen Monaten brachten die Medien anlässlich des Gedenkens des 100-jährigen Jubiläums des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges im Jahre 1914 eine Fülle von Dokumentationen und Spielfilmen. Im Vordergrund standen und stehen dabei sehr oft die kriegerischen Auseinandersetzungen und der politische Hintergrund der Jahre 1914 bis 1918. Bei MARGA UND DER WAL liegt der Schwerpunkt dagegen auf den sehr persönlichen Erinnerungen von Marga Barake, die 1905 geboren wurde und 2009 starb. Sie erzählt im Interview von ihrer Kindheit auf der Insel Sylt in den letzten Monaten des Krieges, als der Hunger das bestimmende Thema der Insulaner war. Die Rettung nahte in Gestalt eines riesigen Wals, der am Strand verendete und den Bewohnern für eine Zeit als Nahrungsquelle diente, wobei das Walfleisch mit seinem starken Geschmack nach Tran keine Delikatesse war, sondern pures Überleben bedeutete.
Doch nicht nur von dem Wal berichtet die Zeitzeugin Marga, sondern auch von anderen Erlebnissen aus ihrer Kindheit auf Sylt. Dass man im Hotel Hohenzollern dann nach dem Krieg die Porträts des gestürzten Kaisers mit Erbsen beschoss oder man aus den Porzellanringen von Eierhandgranaten sich Ketten machte und den Jungen, die diese Porzellanringe brachten, einen Kuss versprach, gehört auch zu diesen fernen Ereignissen, die den Alltag im Krieg beleuchten und keine umwälzenden Geschehnisse auswerten. Die Kamera wirft immer wieder einen direkten Blick auf die würdige fast 100 Jahre alte Erzählerin, und dank der eingeblendeten Aufnahmen von wogendem Gras und dicken Schafen, die heute das Bild der Insel prägen, und den alten Fotos vom gestrandeten Wal und anderen Schauplätzen auf Sylt um 1918 bekommt dieser Augenzeugenbericht noch eine besondere authentische Dimension. Gerne hätte man Marga Barake noch weiter zugehört und zugeschaut, wie sie da in ihrem Lehnsessel sitzt und in Erinnerungen schwelgt, als der Wal vor Westerland wichtiger war als alle Kriegsereignisse.