Filmplakat: Mære

FBW-Pressetext

Rosa ist 11 Jahre alt und lebt mit ihrer Mutter in einem einsamen Haus am Rand des Waldes. Wenn Rosa abends aus dem Fenster sieht und die Bäume betrachtet, dann glaubt sie ein unheimliches Wesen zu sehen, welches Rosa jagen und töten will. Dann rennt sie zu ihrer Mutter. Doch die ist oft nicht da oder findet es albern, wenn Rosa sich so ängstigt. Eines Tages kommt eine Freundin als Übernachtungsgast vorbei und die beiden Mädchen machen einen unerlaubten Ausflug zum Wasserkraftwerk. Als ein schlimmer Unfall geschieht, muss Rosa all ihren Mut zusammennehmen, um sich ihren Dämonen zu stellen. Düstere Schatten, heulender Wind, knarzendes Holz und eine verrätselte Geschichte, unterlegt mit kleinen feinen Schockmomenten – die Filmemacher*innen Lisa Reich und Josef Zeller kennen die Stilmittel des Psychothriller-Genres ganz genau und setzen sie gezielt und mit einem genauen Gespür für Atmosphäre und Timing ein. Wie das Mädchen Rosa werden auch die Zuschauenden direkt in die Handlung hineinkatapultiert, die man bis zum wendereichen Showdown atemlos verfolgt. Montage und Musik unterstützen die Wirkung der stimmungsvoll gefilmten Bilder und erschaffen einen erzählerisch mitreißenden Strom, der für jede Menge Gänsehaut sorgt. Überzeugendes Genre-Kurzfilmkino.
Prädikat besonders wertvoll

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Im Genre des Horrorfilms spielen Alpträume, die in die Realität Einzug halten und zur unmittelbaren Bedrohung für die Protagonisten werden, eine prominente Rolle. Und nicht selten sind es weibliche Charaktere, die in eine solche Situation geraten und das Böse letztlich auf sich allein gestellt bekämpfen müssen.
In dem mittellangen Film MÆRE ist es die 11-jährige Rosa, die von Alpträumen geplagt wird. Eine schemenhafte Gestalt sucht sie in ihren Träumen auf. Doch erscheint sie ihr auch, wenn sie wach ist. Sie ist sich sicher, dass die Bedrohung aus dem Wald kommt. Sind es Tagträume oder passiert es wirklich? Im Horrorfilm ist es oft das Erwachsenwerden, das den Terror auslöst. Die Sexualität erwacht und damit zugleich das Es, der dunkle Teil unserer Persönlichkeit, wie Freud es nannte. Weiterer Begründungen bedarf es im Horrorfilm nicht. Die Eskalation des Horrors nimmt ihren Lauf. So auch hier. Rosas Freundin Sophie kommt zu Besuch und als sie (verbotenerweise) das Gelände eines Kraftwerks betreten, ahnen wir schon, dass etwas Schlimmes passieren wird. Prompt erscheint Rosa wieder die schemenhafte Gestalt. Wie schon zu Beginn des Films und in einer weiteren Szene im Wald werden diese Schockmomente stilsicher inszeniert. Die Macher verstehen ihr Horror-Handwerk. Als Rosa und ihre Freundin am Fuß des Wasserfalls am Fluss stehen, zu dem sie heruntergeklettert sind, hat Rosa abermals die wiederkehrende Vision. Und dann geschieht ein Unglück.
War das Publikum bis dahin noch unsicher, so geht aus den letzten Einstellungen des Films hervor, was die Gestalt aus Rosas Alpträumen verkörpert. Der Film bindet den Horror im Unbewussten eines heranwachsenden Mädchens an die Abwesenheit der Eltern, wobei die Mutter ihre Tochter nicht unbedingt vernachlässigt. Ihr Verhalten könnte allenfalls als etwas zu egoistisch verstanden werden. Dass der Film dies nur andeutet und nicht ausformuliert, macht die Qualität auf erzählerischer Ebene aus. Als etwas unverständlich wurde von einem Teil der Jury angesehen, dass Rosa kein Smartphone dabei hat bzw. ihr Smartphone nicht benutzt, als das Unglück im Kraftwerk geschieht. Denn mit elf Jahren haben Kinder meist schon ein Smartphone. Auch wirkten die beiden Hauptdarstellerinnen in ihren Rollen stellenweise vielleicht etwas überfordert. Doch gerade auf visueller und auditiver Ebene werden die zu erwartenden Mittel des Horrorfilms und des Psychothrillers – etwa in der Inszenierung des Waldes und der angsterfüllten Szenen im Haus – kenntnisreich und überaus effektiv eingesetzt. In Abwägung aller Argumente hat sich die Jury entschieden, den Film mit dem Prädikat „besonders wertvoll“ auszuzeichnen.