Little Lower Than the Angels

Filmplakat: Little Lower Than the Angels

FBW-Pressetext

Im Ersten Buch Mose steht geschrieben: „Und Gott sprach: Wir wollen Menschen machen nach unserm Bild uns ähnlich; die sollen herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel des Himmels und über das Vieh auf der ganzen Erde, auch über alles, was auf Erden kriecht!“ Dieses biblische Gebot nehmen bis heute viele Gläubige ernst. So ernst, dass sie sich für das edelste Geschöpf auf Erden halten – und die Erde selbst gnadenlos ausbeuten. Das anonyme Künstlerinnenkollektiv „Neozoon“ macht nun in seiner filmischen Collage LITTLE LOWER THAN THE ANGELS auf dieses Gedankengut aufmerksam: Menschen, die in ihrem Glauben Extremes tun, die die Religion als das oberste Gesetz ansehen, die ihr ganzes Heil in Gott, Jesus und dem Heiligen Geist sehen. Die einzelnen Sequenzen des Found-Footage-Bildmaterials werden so geschickt und klug zusammenmontiert, dass man die Gleichförmigkeit der Aussagen und der Ausdrucksweisen erkennen kann. So gelingt es, das Absolute des bedingungslosen Glaubens bloßzustellen. Dem gegenüber stellen die Filmemacher den positiven Aussagen der Menschen Bilder von gequälten, gejagten und getöteten Tieren entgegen, die klarmachen, wie schief das Weltbild dieser Menschen hängt. Und wenn am Ende Dutzende von Menschen in einer überdimensionalen Kirchenglocke als Fahrgeschäft auf einem Jahrmarkt hin- und hergeschleudert werden, dann ist dies der Höhepunkt der Entlarvung. Ein mehr als gelungenes filmisches Experiment, das mit Schärfe, Witz und Hintergründigkeit überzeugt.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Experimentalfilm; Kurzfilm
Regie:Neozoon
Drehbuch:Neozoon
Schnitt:Neozoon
Länge:13 Minuten
Produktion: NEOZOON GbR Friederike Kersten-Ahrens

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Dieser Film bietet einen Crashkurs in religiöser Propaganda. Der Kreationismus gehört in den USA zum religiösen Mainstream, und missioniert wird in den digitalen Medien. Auf YouTube hat sich das Künstlerinnenkollektiv „Neozoon“ auf die Suche nach entsprechenden Videos gemacht und diese in der Found-Footage-Dokumentation LITTLE LOWER THAN THE ANGELS virtuos montiert. Allein durch die Wiederholung werden da die Mechanismen der Manipulation deutlich gemacht. Die wenigen Kernsätze und Dogmen der christlichen Fundamentalisten werden oft von mehreren Predigern und Gläubigen sowohl auf der Bild- wie auch auf der Tonebene gleichzeitig verkündet. Viele dieser religiösen Eiferer wirken für ein europäisches Publikum absurd, und mit diesem Effekt arbeiten die Filmemacherinnen: Der Film hat etwas von einer Freakshow und ist auf dieser Ebene sehr unterhaltsam. Doch es ist auch beängstigend, mit welcher Radikalität die Menschen im Film davon sprechen, dass es Gottes Wille sei, dass der Mensch über die Natur herrschen und sie ausbeuten soll. Dabei ist auch interessant, wie sich die alten Bildwelten der christlichen Kunst mit den neuen Bildwelten von Werbespots, Film und Fernsehen mischen. Das ist alles kunstvoll mit den Mitteln des digitalen Schnitts montiert, und die Filmemacher spielen zumindest eine Zeitlang damit, dass sie, scheinbar ohne zu urteilen, diese vielen Prediger zeigen, wie sie etwa in Zungen sprechen oder die Gläubigen mit massenhypnotischen Techniken manipulieren. Da wirken dann einige ironische Brüche und Pointen fast wie Stilbrüche. So etwa, wenn ein Mann mit einem grotesk tätowiertem Gesicht verkündet, dass Gott ihn nach seinem Ebenbild geschaffen hat. Wenn von der Friedenstaube gepredigt wird, sieht man dazu Bilder von Tauben, die mit Schrottflinten abgeschossen werden, und wenn die Bibelstelle von den „kriechenden Kreaturen“ zitiert wird, sieht man betrunkene junge Männer an einem Badestrand herumkriechen. Diese Zuspitzungen als propagandistische Stilmittel wären nach Ansicht der Jury gar nicht nötig gewesen. Doch von dieser kleinen Einschränkung abgesehen, überzeugt LITTLE LOWER THAN THE ANGELS sowohl ästhetisch wie auch inhaltlich und wird deshalb mit dem Prädikat „besonders wertvoll“ ausgezeichnet.