Jury-Begründung
Prädikat besonders wertvoll
Dieser Film bietet einen Crashkurs in religiöser Propaganda. Der Kreationismus gehört in den USA zum religiösen Mainstream, und missioniert wird in den digitalen Medien. Auf YouTube hat sich das Künstlerinnenkollektiv „Neozoon“ auf die Suche nach entsprechenden Videos gemacht und diese in der Found-Footage-Dokumentation LITTLE LOWER THAN THE ANGELS virtuos montiert. Allein durch die Wiederholung werden da die Mechanismen der Manipulation deutlich gemacht. Die wenigen Kernsätze und Dogmen der christlichen Fundamentalisten werden oft von mehreren Predigern und Gläubigen sowohl auf der Bild- wie auch auf der Tonebene gleichzeitig verkündet. Viele dieser religiösen Eiferer wirken für ein europäisches Publikum absurd, und mit diesem Effekt arbeiten die Filmemacherinnen: Der Film hat etwas von einer Freakshow und ist auf dieser Ebene sehr unterhaltsam. Doch es ist auch beängstigend, mit welcher Radikalität die Menschen im Film davon sprechen, dass es Gottes Wille sei, dass der Mensch über die Natur herrschen und sie ausbeuten soll. Dabei ist auch interessant, wie sich die alten Bildwelten der christlichen Kunst mit den neuen Bildwelten von Werbespots, Film und Fernsehen mischen. Das ist alles kunstvoll mit den Mitteln des digitalen Schnitts montiert, und die Filmemacher spielen zumindest eine Zeitlang damit, dass sie, scheinbar ohne zu urteilen, diese vielen Prediger zeigen, wie sie etwa in Zungen sprechen oder die Gläubigen mit massenhypnotischen Techniken manipulieren. Da wirken dann einige ironische Brüche und Pointen fast wie Stilbrüche. So etwa, wenn ein Mann mit einem grotesk tätowiertem Gesicht verkündet, dass Gott ihn nach seinem Ebenbild geschaffen hat. Wenn von der Friedenstaube gepredigt wird, sieht man dazu Bilder von Tauben, die mit Schrottflinten abgeschossen werden, und wenn die Bibelstelle von den „kriechenden Kreaturen“ zitiert wird, sieht man betrunkene junge Männer an einem Badestrand herumkriechen. Diese Zuspitzungen als propagandistische Stilmittel wären nach Ansicht der Jury gar nicht nötig gewesen. Doch von dieser kleinen Einschränkung abgesehen, überzeugt LITTLE LOWER THAN THE ANGELS sowohl ästhetisch wie auch inhaltlich und wird deshalb mit dem Prädikat „besonders wertvoll“ ausgezeichnet.