Little Children
FBW-Pressetext
Ein Ausnahmefilm wie „American Beauty“ oder „Magnolia“, eine künstlerisch wagemutige Annäherung an den Seelenzustand Amerikas, ein bizarres Licht auf die „Normalität der Vorstadt“. Ein Heimatfilm, ein Angst-Movie, eine intelligente Kinoversion der „Desperate Housewifes“. Magnetisch und kraftvoll, unterhaltsam und kritisch, schräg und komisch, randvoll mit schwarzem Humor. Und eine großartige Kate Winslet in einem überragenden Ensemble. Die tolle Bildsprache verlangt nach dem Kinoformat.Filminfos
Kategorie: | Arthouse |
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Gattung: | Spielfilm; Kriminalfilm |
Regie: | Todd Field |
Darsteller: | Jennifer Connelly; Kate Winslet; Patrick Wilson |
Drehbuch: | Todd Field & Tom Perotta |
Weblinks: | ; |
Länge: | 137 Minuten |
Kinostart: | 26.04.2007 |
Verleih: | Warner |
Produktion: | Warner Bros. Entertainment GmbH, New Line Cinema; Bona Fide Productions; Standard Film; |
FSK: | 16 |
Jury-Begründung
Sie sind alle kleine Kinder geblieben, die Bewohner eines nur scheinbar idyllischen Vororts im amerikanischen New England. Selbst der verurteilte Sexualtäter hat eine Mutter, die ihn über alles liebt, und für sie will er „ein lieber Junge“ sein. Seit er aus dem Gefängnis entlassen und in die Nachbarschaft gezogen ist, reagiert die Vorstadt-Umwelt hysterisch. Sein Steckbrief hängt an allen Straßenecken, die Mütter auf dem Spielplatz erzählen einander erregt die letzten Gerüchte über ihn, und wenn er schließlich einmal im Pool des öffentlichen Schwimmbades tauchen geht, kommt es zu einer Massenpanik.Diese paranoide Grundstimmung des US-Amerikas nach 9/11 fängt der Film sehr intensiv und glaubwürdig ein. Er erzählt in verschiedenen Episoden von der existenziellen Verunsicherung, die zur Zeit unter vielen Menschen in den USA herrscht. Dabei stellen sich die Erwachsenen meist als unreifer heraus als ihre Kinder. Die junge Mutter Sarah sieht sich zum Beispiel als eine moderne Madame Bovary. Ihr Mann Richard ist süchtig nach Pornoseiten im Internet. Der attraktive Hausmann Brad hält sich für einen Versager und fühlt sich vom beruflichen Erfolg seiner ebenso schönen wie kalten Frau Kathy immer mehr eingeschüchtert. Der ehemalige Polizist Larry versucht, die eigene Schuld und das eigene erbärmliche Scheitern dadurch zu überspielen, dass er verbissen die Hexenjagd auf den Exhibitionisten Ronald James anführt.
All diese schwachen und widersprüchlichen Charaktere führen der Autor Tom Perrotta und der Regisseur Todd Field zu einem komplexen und verstörenden Drama zusammen. Dabei überzeugt die zum Teil brillante und originelle Bildfindung so etwa in der Kamerafahrt im Schwimmbad, bei der während einer scheinbar ungeschnittenen Einstellung mehrere Tage vergehen und wir die zunehmende Vertrautheit von Kate und Brad erleben, bis die fließende Computermontage schließlich mit dem symbolischen Bild eines großen Risses im Beckenboden endet.
Ebenfalls große Bildkraft hat zum Beispiel die Szene, in der im Schwimmbadbecken Panik ausbricht, die Erwachsenen schreiend fliehen und die Kinder eilends aus dem Wasser gerissen werden, weil der „Bösewicht“ mit seiner Schnorchelmaske unter Wasser geht. „Da war keine Musik in dieser Szene, aber ich habe die Filmmusik vom ‚Weißen Hai’ gehört“, merkte ein Jurymitglied dazu an. Immer wieder gelingen wunderbare Bildfindungen, es wird unheimlich dicht erzählt. Die Charakterzeichnungen sind begeisternd; nicht von ungefähr wurden in der FBW-Diskussion immer wieder auch Parallelen zu „American Beauty“ und „Magnolia“ gezogen. Wie sie gehört „Little Children“ zu den großen, schrägen und unbequemen amerikanischen „Heimatfilmen“ der letzten Dekade.
Für Irritation in der FBW-Jury sorgte nur die so betont distanzierte Erzählstimme, die für einige Jurymitglieder ein unnötig literarisches Element in den Film einbrachte.
Das gesamte Ensemble der Schauspieler agiert derart glaubwürdig und intensiv, dass man niemanden herausheben möchte, aber Kate Winslet verkörpert die Sarah so uneitel und lebendig, wie man es nur selten sieht.
Weil wir am Ende des Films die Charaktere verstehen gelernt haben, können und wollen wir sie nicht verurteilen. Nur den bigotten Müttern, die wie die drei Hexen von Shakespeare auf der Spielplatzbank sitzen, gewährt der Film diese Gnade nicht. Aber sie würden ja auch solche Werke, die keine einfachen Antworten liefern und dafür die richtigen Fragen stellen, am liebsten verbieten.