Last Night in Soho

Kinostart: 11.11.21
2021
Filmplakat: Last Night in Soho

FBW-Pressetext

Edgar Wrights Genre-Mix aus Thriller, Horror und Krimi. Hochspannend, raffiniert und very sophisticated.

Als die Modestudentin Eloise nach London zieht, ist sie entschlossen, die Inspirationen der pulsierenden Metropole in sich aufzusaugen. Doch dann wird der Traum der Großstadt zum Albtraum. Denn Nacht für Nacht begegnet sie im Schlaf einer jungen Frau, die in den Swinging Sixties erkennen muss, dass nicht alles, was glitzert, auch Gold ist. Mit ästhetischer Genre-Raffinesse, einem großartigen Soundtrack und einem starken Ensemble gelingt Edgar Wright ein hochspannendes, atmosphärisches Meisterstück.

Ob Genres, Zeiten, Realitäten oder Identitäten – in seinem neuen Film vermischen Regisseur Edgar Wright und seine Co-Autorin Krysty Wilson-Cairns aufs Überzeugendste verschiedenste Ebenen und spielen gekonnt mit der Erwartungshaltung des Publikums. Und bis zu dem ungemein packenden Showdown behält der Film immer noch eine überraschende Wendung in der Hinterhand. Als Thriller, der mit Horrorfilmelementen arbeitet, legt der Film von Beginn an wichtige erzählerische Spuren, denen man mit Spannung und Neugier folgt. Die eindrucksvolle Kameraarbeit von Chung-hoon Chung und eine bis zum kleinsten symbolisch aufgeladenen Bild durchdachte Licht- und Farbdramaturgie lassen sowohl das London von heute als auch das London der legendären Swinging Sixties auf mitreißende Weise strahlen und wirken – und machen die Stadt und ihre Geschichte damit zu einer der Protagonist*innen. Darstellerisch glänzt das Ensemble durch alle Haupt- und Nebenrollen. Ob Diana Rigg als mysteriöse Vermieterin, Matt Smith als eiskalter Manager oder Terence Stamp als undurchsichtiger „Berater“ – alle spielen mit größtmöglicher Ambivalenz und Charisma. Und Thomasin McKenzie, die Eloise mit unverbrauchter und einnehmender Natürlichkeit verkörpert, trägt den Film ebenso wie Anya Taylor-Joy, die mit ihrem unverwechselbaren katzenhaften Look als Nachtclub-Sängerin die Geheimnisse und den Zauber einer längst vergangenen Starkultur in sich vereint. Typisch für Edgar Wright ist der überragend zusammengestellte Soundtrack, der die Swinging Sixties zum Leben erweckt. Und fern von allen popkulturellen und filmischen Bezügen erzählt der Film zusätzlich auch die hochaktuelle Geschichte von Frauen im Showgeschäft, die durch einen etablierten Sexismus als Objekte gesehen werden.

Filminfos

Gattung:Thriller; Spielfilm; Horror
Regie:Edgar Wright
Darsteller:Anya Taylor-Joy; Thomasin McKenzie; Diana Rigg; Matt Smith; Jessie Mei Li; Terence Stamp; u.a.
Drehbuch:Edgar Wright; Krysty Wilson-Cairns
Kamera:Chung-hoon Chung
Schnitt:Paul Machliss
Musik:Steven Price
Webseite:universalpictures.at;
Länge:117 Minuten
Kinostart:11.11.2021
Verleih:Universal
Produktion: Working Title Films, Complete Fiction; Film4; Focus Features International;
FSK:16

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Edgar Wright machte sich einen Namen durch die clever konstruierten Komödien der so genannten Cornetto-Trilogie. Stets bezieht er sich auf etablierte Klassiker des Genrekinos und verpasst ihnen einen ironischen neuen Twist. Dabei glänzen seine Filme durch eine liebevolle Ausstattung, originelle Musikauswahl, erstklassige Besetzung und einen schrägen Humor. Im Zentrum stehen oft gesellschaftliche Außenseiter*innen, die von vielen zunächst als Loser bezeichnet werden, doch in den entfesselten Krisen bald über sich hinauswachsen. Dies ist auch in LAST NIGHT IN SOHO der Fall.

In Cornwall lernen wir die junge Eloise (Thomasin McKenzie) kennen, die sich für die Mode und Popkultur der Swinging Sixties begeistert. Diese große Leidenschaft für Modedesign teilt sie mit ihrer früh verstorbenen Mutter. Als Eloise an der Londoner Modeakademie zugelassen wird, ernüchtert sich ihre Begeisterung für ausgefallene Stoffe, historische Schnitte und psychedelische Muster bald, denn hier wird ihr die harsche Realität der Großstadt und der neuen Generation schnell bewusst. Ihre hämischen Kommilitoninnen bringen sie dazu, sich einen Nebenjob zu suchen und aus dem Wohnheim in eine alte Wohnung bei der schrulligen Miss Collins (Diana Rigg) zu ziehen.

Neben ihrem Können als Designerin besitzt Eloise ein weiteres Talent, das zum Fluch wird: Sie ist in der Lage, in der Zeit zu reisen und findet sich plötzlich im London der 1960er Jahre wieder. In der Gestalt der jungen Sandy (Anya Taylor-Joy) zieht sie durch die Clubs und lebt ein berauschendes Parallelleben. Dort verfällt sie als Sandy dem Zuhälter Jack (Matt Smith), der sie zur Prostitution in genau jenem Zimmer nötigt, in dem nun Eloise wohnt. Deren Reise durch die Zeit wird immer beängstigender, als deutlich wird, dass sich damals eine Bluttat ereignete, in der Sandy möglicherweise das Opfer wurde. Doch es ist Eloise nicht mehr möglich, dem Fluch der Vergangenheit zu entkommen, der ihre Gegenwart gewaltsam heimsucht.

In LAST NIGHT IN SOHO bringt Edgar Wright seine bisherigen Fähigkeiten auf eindrucksvolle Weise auf den Punkt. Mit Hilfe einer ausgefeilten Besetzung, darunter Diana Rigg als Miss Collins, Rita Tushingham als Großmutter, Terence Stamp als gealterter Ermittler und Anna Taylor-Joy als Sandy, gelingt ihm ein spannender Grenzgang zwischen Coming-of-Age-Drama, Großstadtthriller und Geisterhorror. Er bedient sich nicht nur virtuos der Mechanismen dieser Genres, sondern auch an Zitaten aus der Filmgeschichte und Popkultur der 1960er Jahre. Die so kreierte Atmosphäre wird zur inneren Vision der zunächst naiven Protagonistin. Die ungewöhnlichen Rahmungen und Montagen werden bildhafter Ausdruck einer psychischen Erkrankung (möglicherweise einer Schizophrenie), so dass man den Film als einen späten Erben von Roman Polanskis Londoner Psychothriller Ekel (1964) sehen könnte. In beiden Filmen erscheint die Stadt selbst als ein Hort des Bösen.
Geschickt spielt Wright mit dem Eintauchen in die historische Epoche und deren komplexe und undurchschaubare Personenkonstellationen. Der Showdown bringt die Elemente gelungen zusammen und schafft in der Montage überraschende Parallelisierungen. Dabei wird vor allem das Spiegelmotiv radikal gehandhabt.
LAST NIGHT IN SOHO nutzt das Horrorgenre, um universelle Aussagen über das Leben in der Großstadt, über sexuelle Abhängigkeit und jugendliche Illusionen zu vermitteln. Die Jury verleiht dem Film nach intensiver Diskussion das höchste Prädikat.