Die Corona-Pandemie lässt das Leben schlagartig stillstehen. Für viele ändert sich alles – auch für die vielen Migrant:innen, die sich bis dahin mit verschiedenen Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten haben und nun in Berlin keine Arbeit mehr finden. Also heuern sie bei einem Blumenhof in Borken, an der Grenze zu den Niederlanden, an. Mit einem Bus werden sie in eine riesige Treibhausanlage gebracht. Die Wohncontainer, in den sie untergebracht werden, sind klein und eng, ihre Lebens- und Arbeitsumstände sind grenzwertig und Möglichkeiten der (geringen) Freizeitgestaltung schlicht nicht vorhanden. Doch die Blumenproduktion braucht dringend Mitarbeitende, nun, da die billigen Lohnarbeitenden aus dem europäischen Ausland nicht mehr kommen können. In ihrem Kurzdokumentarfilm LAS FLORES, was aus dem Spanischen übersetzt „Die Blumen“ heißt, wandeln die Filmemacher Tin Wilke und Miguel Goya auf den Spuren des Direct Cinema und erzählen ihre Geschichte rein aus der Handyperspektive der Menschen, die vor Ort in den Blumenhöfen arbeiten. Auf der Bildebene sieht man Handyvideos, auf der Tonebene die dazugehörigen Sprachnachrichten, die die Migrant:innen an Familie und Freunde zuhause verschicken. Es ist genau diese Vorgehensweise, die den Film mit authentischer Spannung auflädt. Gestalterische Momente wie eine Aufteilung in Split Screens verleihen dem Film eine zusätzliche Dimension, die aber nicht von der Konzentration auf ein wichtiges Thema ablenkt. Denn die Lohn- und Arbeitsbedingungen, der Menschen, die ganz unten in der Kette stehen, müssen gesehen werden. Und Filmen wie LAS FLORES, die ihre Kommentierung komplett dem überlassen, was man im Film sieht, gelingt es ausnahmslos gut, auf solche Themen aufmerksam zu machen.
Drei aus Argentinien stammende junge Menschen stranden während der Pandemie in Berlin und reisen an die holländische Grenze, um dort als Saisonarbeiter:innen in einer Gärtnerei zu arbeiten und Geld zu verdienen. Statt sie selber mit ihren Kameras zu begleiten, haben Miguel Goya und Tin Wilke Smartphoneaufnahmen und Sprachnachrichten der drei gesammelt und zu diesem Kurzfilm montiert. „Durch die Augen von...“ steht deshalb auch im Abspann, und mit dieser ungewöhnlichen Kennzeichnung wird klar gemacht, dass die Bilder und Töne, mit denen hier gearbeitet wird, von den drei Protagonist*innen selber produziert wurden. Professionell ist dagegen die Postproduktion: die Montage, die Bearbeitung und die Dramaturgie des Films. Dabei fällt auf, dass hier sehr einfallsreich mit dem hochkantigen Handyformat des digitalen Filmmaterials umgegangen wird. So ergibt das schon in Actionfilmen der 1970er Jahre beliebte Splitscreen-Verfahren viel Sinn, weil drei von diesen Aufnahmen nebeneinander in etwa eine Kinoleinwand ausfüllen. Durch die Aufnahmen entsteht ein sehr authentisches und persönliches Stimmungsbild von den Lebensumständen der drei Protagonist:innen. Sie sind Außenseiter, die in prekären Verhältnissen leben und sie zeigen, unter welchen Bedingungen sie in der Gärtnerei arbeiten und wohnen. Zumindest im Film reden sie mit keinen deutschen – nur mit polnischen Saisonarbeitern, die die gleiche Arbeit unter den gleichen miserablen Bedingungen verrichten, gibt es einen kollegial herzlichen Kontakt. Es gelingt Miguel Goya und Tin Wilke, ungefiltert und intensiv das Lebensgefühl dieser jungen Migrant:innen zu vermitteln. Trotz der schweren Arbeit und ihren unsicheren Lebensverhältnissen verströmen die drei jungen Menschen viel positive Energie. Und so ist dies keine deprimierende Sozialreportage geworden, sondern das Handy-Tagebuch von drei sympathischen jungen Menschen in einem ungastlichen, ihnen fremd bleibenden Land.