Land der Gegenden

Filmplakat: Land der Gegenden

FBW-Pressetext

Der Blick geht direkt in die Kamera, er ist leer, ohne Leben. Ein Junge setzt sich auf eine Schaukel. Doch frei bewegen kann er sich nicht. Denn seine Arme stecken in einer Jacke, die am Rücken zugebunden wurde. Und während er so schaukelt und ganz unverwandt in die Leere schaut, wechselt langsam das Bild. Wieder ist ein Junge zu sehen. Ein Junge, der seine Arme frei bewegen kann. Doch lange ist dieses Bild der Freiheit nicht im Vordergrund. Denn die Trostlosigkeit des Hier und Jetzt ist stärker. Die Aufnahmen, die der Filmemacher Andreas Grützner für seinen experimentellen Film LAND DER GEGENDEN montiert, entschleunigt und in einen neuen Kontext stellt, sind Originalaufnahmen aus einer Heil und Pflegeanstalt für geistig und körperlich behinderte Menschen aus dem Jahr 1973. Es ist die Verlangsamung des Bildablaufs, die für den Betrachter eine Art erzählerischen Sog entstehen lässt, unterstützt von der Tonebene, in der sich mechanische Geräusche und Aufnahmen von Zügen und Menschenmengen in einer Art Loop vermischen. Dieser Loop fungiert wie ein Score und erhört den dramatischen Moment. So gelingt es, den Zuschauer ganz automatisch in das Bild und somit auch das Schicksal des unbekannten Jungen hineinzuziehen, welches geprägt ist von Isolation und Trostlosigkeit. Ein atmosphärisch dichtes und wirkungsvolles filmisches Experiment.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm; Kurzfilm
Regie:Andreas Grützner
Drehbuch:Andreas Grützner
Schnitt:Andreas Grützner
Musik:Andreas Grützner
Länge:4 Minuten
Produktion: Andreas Grützner

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Bei den Bildern, die der Filmemacher Andreas Grützner in seinem neuesten Experimentalfilm zeigt, handelt es sich um Found-Footage-Material. Es sind Bilder, die in den Alsterdorfer Anstalten, Heilanstalten für Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung, im Jahre 1973 aufgenommen wurden. Grützner zeigt die Bilder in Slowmotion, montiert sie neu und unterlegt sie auf der Ton-Ebene mit einem Geräuschloop verschiedener Ton-Effekte. Der Betrachter stellt sich viele Fragen, während die Jungen durch das Bild gehen: Welche Geschichte, welches Leben, welches Schicksal steckt hinter den zu sehenden Jugendlichen? Handelt es sich um immer dieselbe Person? Im Hintergrund wird ein Bild eingeblendet, die Jury glaubt, es einem der gesehenen Jungen zuordnen zu können.

Bildcollage und Ton-Ebene schaffen zusammen eine beklemmende Atmosphäre, suggestiv und erschreckend. Die Jungen wirken wie gefesselte Tiere in einem Käfig. Und der Gang zur Schaukel wirkt wie der Gang zum einzigen Ort der Freiheit. Dies alles überzeugt und bewegt. Und so ist LAND DER GEGENDEN für die Jury ein berührendes filmisches Experiment, dem sie das Prädikat „besonders wertvoll“ verleiht.