Filmplakat: Lake of Fire

FBW-Pressetext

Die Hölle auf Erden ist längst Realität oder wird es in unmittelbarer Zukunft sein, hervorgerufen durch Religion, durch Ignoranz, jeher verbildlicht durch Ikonografien des Teufels selbst, ob als Überbleibsel heidnischer Brauchtümer, Schreckensszenario fundamentalistischer Fernsehprediger oder mittelalterlicher Holzstiche. LAKE OF FIRE vom Berliner Künsterinnenduo Neozoon bringt sie alle zusammen und benennt klar den Schuldigen der Misere: der Mensch selbst, dessen leichtsinniger Flirt mit dem Untergang den apokalyptischen Klimawandel erst herbeigeführt hat. In rhythmischer Chorhaftigkeit verzweigt dieser außergewöhnliche Experimentalfilm mannigfaltige Diskurse und schafft damit eine beeindruckend dichte Atmosphäre. Vor allem das fast einstimmige Kaleidoskop der Tonebene im Gegenlauf zur irritierenden Bildercollage hinterlässt einen Eindruck, der lange nach dem Film nachwirkt und die punktgenaue Argumentation noch stärker heraushebt. Ein faszinierendes Untergangsszenario, das seinen Betrachtenden den notwendigen Spiegel vorhält und mindestens zum Nachdenken animiert.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Experimentalfilm; Kurzfilm
Regie:Neozoon
Drehbuch:Neozoon
Kamera:Janina Herhoffer
Schnitt:Janina Herhoffer; Neozoon
Weblinks:neozoon.org;
Länge:11 Minuten
Produktion: NEOZOON GbR Friederike Kersten-Ahrens, Light Cone
Förderer:German Films

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Das Kunstkollektiv Neozoon ist im Experimentalfilm bekannt für Arbeiten mit Foreign Footage, dem Bearbeiten und Montieren von Fremdmaterial. Insbesondere Internet-Videos dienen immer wieder als Quelle für filmische Werke, die sich einer klassischen Narration entziehen, aber umso stärker den aktiven Part der Zuschauenden einfordern.

Im Fall von LAKE OF FIRE montiert das Kollektiv Naturaufnahmen, Teufelsdarstellungen in der Kunstgeschichte mit Brauchtum der Dämonen-Austreibung, wie z.B. das Klausentreiben oder Perchtenläufe in Bayern oder die Kukeri in Bulgarien. Gesprochener Text kommt anfangs von einzelnen, dann einem Chor an Stimmen von evangelikalen Predigern und Gläubigen, die von der Erlösung des Menschen durch Gott, dem ewigen Leben und der Bestrafung in der Hölle sprechen. In „Augenzeugen“-Berichten wird das Schreckensszenario der Unterwelt beschrieben. Dabei decken das Stilmittel der Wiederholung und die Tongestaltung als vielstimmiger Singsang diese Beschreibungen als Floskeln auf, während auf der Bildebene Erdrutsche und Rodungen, durch Gasblasen entstandene Krater und Flächenbrände deutlich machen, dass wir aktuell auf „Gottes Erde“ selbst eine Hölle entstehen lassen. Der Ruf der Prediger nach ewigem Leben, das uns Gott schenken wird, wenn wir nur glauben, wird ad absurdum geführt. Wer sind denn die großen Leugner des Klimawandels?

Bildauswahl, Schnitt- und Tongestaltung bilden ein vielschichtiges, audiovisuelles Werk, das es zu enträtseln lohnt. Das Puzzle an Bilder und Tönen ist bei der perfekt gewählten Länge nicht etwa überfordernd, sondern vielmehr aktivierend. Die dichte Atmosphäre und Musikalität des Experimentalfilms laden uns Zuschauer:innen dazu ein, sich mit Fragen der Vergänglichkeit und Zerstörung auseinanderzusetzen. Nach LAKE OF FIRE fühlt man sich hellwach, um zu überlegen, was wir dagegen tun können.

In Abwägung aller Argumente vergibt die Jury gerne das Prädikat BESONDERS WERTVOLL.