Katzelmacher

1969
Filmplakat: Katzelmacher

Jurybegründung

Der Ausschuß verlieh dem Film das höchste Prädikat.

Daß hier eine außergewöhnliche filmkünstlerische Leistung verliegt, steht außer Frage, auch wenn über deren Stil heftig gestritten werden kann. Diesen Stil hat Faßbinder jedoch mit einer erstaunlichen Konsequenz durchgehalten. Im Katalog der Schlagwörter fungiert ein solcher Film unter dem Motto „Anti-Film", doch weiß MAN aus der jüngsten Theatergeschichte, wie fruchtbar das sogenannte“Anti-Theater“ für das gesamte Theaterspiel geworden ist. Die Radikalität der Absage an den landläufigen SpielfILM In Faßbinders zweiten abendfüllenden Film verdient deswegen eine besondere Hervorbebung, weil dieser Kahlschlag im Gelände landläufiger Spielfimgestalt getrost vollkommen genannt werden kann. Das war nur zu erreichen mit einer so unausweichlichen Übereinstimmung zwischen Inhalt und Form, die sich hier sozusagen ineinander aufgelöst haben.

Die Kameraarbeit kennt in diesem Film keine Perspektive, keinen Vordergrund, keinen Hintergrund, sie kennt keinen Raum. So distanziert sie den Film aus den alten Sehgewohnheiten und verschafft ihm bei ganz alltäglichen, anscheinend also "realistischen“ Vorgängen ein hohes Maß von Künstlichkeit. Man könnte fast von einem Marionettenspiel sprechen das sich hier in eine ganz landläufigen, doch durch die Überlichtung und die distanzierende Kameraarbeit "verfremdeten“ Milieu vollzieht. Das wirkt umso reizvoller, als das "Milieu" sehr präzise umrissen ist und nirgends verzeichnet wird.

Der Stil der Distanzierung wird deutlich auch an der Führung der Schauspieler, denen jede Möglichkeit genOMMen war im hergebrachten Sinne als Darsteller zu fungieren. Sie sind vom Typ vorzüglich ausgewählt. Bereits der Dialog nötigt ihnen eine distanzierende Spielweise auf, da er nur mit langen Zwischenpausen ohne jede stimmliche Emotion vorgetragen werden mußte. Die Künstlichkeit der Sprechweise ist umso wirkungsvoller, als das Vokabular der Dialoge bewußt spärlich gehalten und dazu noch mit altbayerischem Dialekt eingefärbt ist.

Mit solchen Mitteln der Distanzierung erreicht Faßbinder eine erstaunliche Intensität der Bildfolgen. Die Personen prägen sich dem Betrachter rasch ein, erst recht durch die kurzen Gänge von je zwei Personen mit der unterlegten Klaviermusik. Diese betonten Gänge sind besonders aufschlußreich für den Stil des Films, der insgesamt archaisch anmutet. Mit den Gängen der je zwei Personen tritt sozusagen der "Chor" in Aktion, wenn auch in einer Verkleinerungsform.

Es wäre ausgesprochen verfehlt, diesen Film auf die Behandlung eines Außenseiters durch die ansässigen jungen Menschen festzulegen. Jedenfalls überwiegen derartige Tendenzen keinesfalls. Die Gruppe, ein Ausschnitt aus der gegenwärtigen Gesellschaft, steht für sich und wird von den ausländischen Arbeitern allenfalls in gewissen Motiven beeinflußt, und zwar nicht zu negativen Reaktionen.

Faßbinder will seinen Film weder als eine Milieustudie noch als einen hergebrachten Spielfilm mißverstanden sehen, Nicht zuletzt daher wurde er zu der eigenen Handschrift seines Films bestimmt, die gewiß ihre Vorbilder hat, doch über solche Vorbilder hinausgeht. Durch das höchste Prädikat wollte der Ausscbuß einen mindestens sehr interessanten Beitrag für die weitere Entwicklung der Filmkunst auszeichnen. Er konnte das guten Gewissens tun, weil der Film in sich geschlossen und von seinem Stil her überzeugend ist.
Prädikat besonders wertvoll

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Der Ausschuß verlieh dem Film das höchste Prädikat.
Daß hier eine außergewöhnliche filmkünstlerische Leistung verliegt, steht außer Frage, auch wenn über deren Stil heftig gestritten werden kann. Diesen Stil hat Faßbinder jedoch mit einer erstaunlichen Konsequenz durchgehalten. Im Katalog der Schlagwörter fungiert ein solcher Film unter dem Motto „Anti-Film", doch weiß MAN aus der jüngsten Theatergeschichte, wie fruchtbar das sogenannte“Anti-Theater“ für das gesamte Theaterspiel geworden ist. Die Radikalität der Absage an den landläufigen SpielfILM In Faßbinders zweiten abendfüllenden Film verdient deswegen eine besondere Hervorbebung, weil dieser Kahlschlag im Gelände landläufiger Spielfimgestalt getrost vollkommen genannt werden kann. Das war nur zu erreichen mit einer so unausweichlichen Übereinstimmung zwischen Inhalt und Form, die sich hier sozusagen ineinander aufgelöst haben.
Die Kameraarbeit kennt in diesem Film keine Perspektive, keinen Vordergrund, keinen Hintergrund, sie kennt keinen Raum. So distanziert sie den Film aus den alten Sehgewohnheiten und verschafft ihm bei ganz alltäglichen, anscheinend also "realistischen“ Vorgängen ein hohes Maß von Künstlichkeit. Man könnte fast von einem Marionettenspiel sprechen das sich hier in eine ganz landläufigen, doch durch die Überlichtung und die distanzierende Kameraarbeit "verfremdeten“ Milieu vollzieht. Das wirkt umso reizvoller, als das "Milieu" sehr präzise umrissen ist und nirgends verzeichnet wird.
Der Stil der Distanzierung wird deutlich auch an der Führung der Schauspieler, denen jede Möglichkeit genOMMen war im hergebrachten Sinne als Darsteller zu fungieren. Sie sind vom Typ vorzüglich ausgewählt. Bereits der Dialog nötigt ihnen eine distanzierende Spielweise auf, da er nur mit langen Zwischenpausen ohne jede stimmliche Emotion vorgetragen werden mußte. Die Künstlichkeit der Sprechweise ist umso wirkungsvoller, als das Vokabular der Dialoge bewußt spärlich gehalten und dazu noch mit altbayerischem Dialekt eingefärbt ist.
Mit solchen Mitteln der Distanzierung erreicht Faßbinder eine erstaunliche Intensität der Bildfolgen. Die Personen prägen sich dem Betrachter rasch ein, erst recht durch die kurzen Gänge von je zwei Personen mit der unterlegten Klaviermusik. Diese betonten Gänge sind besonders aufschlußreich für den Stil des Films, der insgesamt archaisch anmutet. Mit den Gängen der je zwei Personen tritt sozusagen der "Chor" in Aktion, wenn auch in einer Verkleinerungsform.
Es wäre ausgesprochen verfehlt, diesen Film auf die Behandlung eines Außenseiters durch die ansässigen jungen Menschen festzulegen. Jedenfalls überwiegen derartige Tendenzen keinesfalls. Die Gruppe, ein Ausschnitt aus der gegenwärtigen Gesellschaft, steht für sich und wird von den ausländischen Arbeitern allenfalls in gewissen Motiven beeinflußt, und zwar nicht zu negativen Reaktionen.
Faßbinder will seinen Film weder als eine Milieustudie noch als einen hergebrachten Spielfilm mißverstanden sehen, Nicht zuletzt daher wurde er zu der eigenen Handschrift seines Films bestimmt, die gewiß ihre Vorbilder hat, doch über solche Vorbilder hinausgeht. Durch das höchste Prädikat wollte der Ausscbuß einen mindestens sehr interessanten Beitrag für die weitere Entwicklung der Filmkunst auszeichnen. Er konnte das guten Gewissens tun, weil der Film in sich geschlossen und von seinem Stil her überzeugend ist.