Filmplakat: Kassieren

FBW-Pressetext

In ihrem Kurzfilm KASSIEREN stellen die Regisseurinnen Franca Pape, Lea Sprenger und Amelie Vierbuchen dem Publikum die Technik des „Kassierens“ vor. Das Kassieren bezeichnet man im Archivwesen als das Wegwerfen von Unterlagen und darin enthaltene Informationen, die nicht als archivwürdig erscheinen. Die Filmemacherinnen, die an der Kunsthochschule für Medien in Köln studieren, begeben sich auf die Suche nach Archivmaterial über die Chemiefabrik Kalk in Köln. Der Film arbeitet mit einem schnellen Schnitt und erzählt mit wiederkehrender Selbstironie eine Geschichte über das Suchen und das Wegwerfen. Das originelle Thema und die Arbeit eines Archivars werden in diesem Film auf interessante Weise aufbereitet. Dabei lässt sich natürlich, und hier liegt die Doppelbödigkeit des Films, der Vorgang des Kassierens beispielhaft auch auf andere Bereiche der Gesellschaft übertragen. Denn wer hat sich nicht schon einmal die überfordernde Frage gestellt: Was hebe ich auf und von was trenne ich mich? Und auf einer weiteren Ebene stellt der Film ganz subtil die kritische Frage, ob nicht das Kassieren gerade in der Geschichte von Firmen dafür sorgen kann, dass eben die falschen Sachen in Vergessenheit geraten können. KASSIEREN ist ein Film über den Umgang mit Geschichte. Klug, doppelbödig und mit gutem Timing montiert.
Prädikat wertvoll

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Was soll bleiben und was kann weg? Ob in Haus oder Wohnung, bei der Arbeit oder auch nur auf der Festplatte des Computers: Irgendwann muss sich jeder Mensch fragen, was denn nun wirklich einmal weggeworfen werden kann.

Das Regie- und Kameratrio Franca Pape, Lea Sprenger und Amelie Vierbuchen folgt mit KASSIEREN genau dieser Fragestellung. Im Rahmen eines Projekts wird ihnen deutlich, dass das Wegwerfen durchaus auch wissenschaftlicher Standard sein kann. Bei Nachforschungen zur Kölner Chemiefabrik Kalk stellen sie fest, dass die Kölner Archive im Laufe der Zeit auch durchaus wichtiges Material entsorgt, oder wie der Archivar es nennt, ‚kassiert‘ haben.

Die Mehrdeutigkeit des Begriffs KASSIEREN in Bezug auf die Eingangssequenzen dieses Kurzdokumentarfilms hat die Mitglieder der Jury zunächst einmal auf eine falsche Fährte gelockt. Offenbar waren die Filmemacherinnen von der genannten Verwendung des Wortes so begeistert, dass sie der eigentlichen Fragestellung ausgemustertes Schnittmaterial vorweggestellt und das Wort ‚Kassieren‘ zum Titel erhoben haben.

Tatsächlich wird auch für einen Film meist nur ein Bruchteil des vorhandenen Rohmaterials verwendet. Analog zu den fehlenden Materialien aus dem Kölner Archiv steht daher auch jede und jeder Filmschaffende vor der Frage, was tun mit Material, das keine Verwendung gefunden hat. Es liegt nahe, vieles davon zu vernichten, andererseits ist jede Sekunde Film auch einzigartig und mag Jahre später von Belang sein.

Immer wieder greifen Pape, Sprenger und Vierbuchen diese Parallele auf. Sequenzen aus den Archiven werden mit Sequenzen ihres Arbeitsprozesses, aber auch Sequenzen aus augenscheinlichem Random Footage geschnitten. Fragmentierte, schnelle Bildfolgen entstehen. Einvernehmlich wähnte sich die Jury, ob der schnellen Schnitte und des hin und wieder an Beliebigkeit grenzenden Materials, überfordert. Immer wieder zeigte sich in der Diskussion, dass der Jury wertvolle Sekunden fehlten, in denen sie sich mit dem gezeigten Material hätte verzahnen und das Fragmentarische gedanklich zu einer neuen Einheit erheben zu können.

Die Jury kommt in ihrer Diskussion zum Schluss, dass KASSIEREN eher diversifiziert anstatt zu pointieren bzw. zu akzentuieren. Die Fülle und Vielfalt des Materials ist, so die Jury, wirklich enorm. Doch vielleicht wäre, so die Jury, auch hier die Wichtigkeit des Weglassens ein entscheidender Faktor gewesen. Der Film scheint der Fülle und Vielfalt seines Materials zu erliegen, zeigt damit aber ironischerweise wieder einmal die Wichtigkeit des Weglassens. Nach eingehender Diskussion und in Anerkennung der reizvollen Filmidee kommt die Jury überein, dem Kurzdokumentarfilm KASSIEREN das Prädikat WERTVOLL zu verleihen.