Judas and the Black Messiah

Kinostart: 01.07.21
2021
Filmplakat: Judas and the Black Messiah

FBW-Pressetext

Kraftvoll gespieltes Drama über die wahre Geschichte eines Schwarzen Aktivisten – und seines Verräters.

William O’Neill wird 1968 vom FBI als Spitzel in die militante Schwarzen-Bewegung „Black Panthers“ eingeschleust. Er soll Fred Hampton, den Anführer aus Chicago, ausspionieren und seine Pläne vereiteln. Doch O’Neill wird immer mehr zu einem Teil der Bewegung. Und Fred Hampton zu einem immer größeren Ärgernis für das FBI. Erschütternd authentisches Historiendrama über den charismatischen Schwarzen Aktivisten Hampton und seine systematische Verfolgung durch die US-Staatsgewalt..

Es ist eine wahre Geschichte, die der Film in der Regie von Shaka King (Drehbuch co-geschrieben mit Will Berson) erzählt. Und anhand ausgewählter Biografien die Ungerechtigkeiten, die Demütigungen und die Ungleichbehandlungen, die Schwarze in den USA erleiden mussten – und immer noch müssen, deutlich zu machen. King und Berson gelingt es eindrücklich, die große Wut bei den Black-Panther-Aktivisten aufzuzeigen, die bereit sind, zum Äußersten zu gehen und ihr Leben der Sache zu opfern. Allen voran Fred Hampton selbst, den Daniel Kaluuya – der für die Rolle mit einem Oscar ausgezeichnet wurde - mit einer unfassbaren Wucht spielt. Wenn er spricht, genügt ein Blick aus seinen wachen Augen, um den Raum förmlich „einzufangen“. Und es genügen wenige Worte, die auch in der deutschen Version durch eine ausgezeichnete Synchronarbeit wie Messer die Luft zerschneiden, um die Zuhörenden in seinen Bann zu ziehen. Auch O’Neill, den Lakeith Stanfield mit einer subtilen Mischung aus Angst, Zweifel und Kaltschnäuzigkeit spielt, wird zum Anhänger des charismatischen Hampton und dessen Worten. Der ungewöhnliche, manchmal auch bewusst disharmonische Score, eine monochrome Farbgestaltung und eine sehr enge dynamische Kameraführung sind filmische Stilmittel, die den Film zu einem besonderen Kinoerlebnis machen. Und dass am Ende der Geschichte der größtmögliche Verrat steht und der Film in der historischen Tragödie endet, die genauso belegt ist, lässt den Film noch lange nach seinem Ende nachwirken.

Filminfos

Gattung:Drama; Spielfilm
Regie:Shaka King
Darsteller:Daniel Kaluuya; Lakeith Stanfield; Martin Sheen; Jesse Plemons; Ashton Sanders; Tyra Joy Smith
Drehbuch:Shaka King; Will Berson
Kamera:Sean Bobbitt
Schnitt:Kristan Sprague
Musik:Mark Isham; Craig Harris
Webseite:warnerbros.de;
Länge:126 Minuten
Kinostart:01.07.2021
Verleih:Warner
Produktion: BRON Studios, Bron Creative; MACRO; Participant; Proximity;
FSK:12

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Als Jugendlicher gerät William O’Neal im Chicago der 1960er Jahre wegen diverser Delikte in Konflikt mit dem Gesetz. Nachdem er 1968 mit einem gestohlenen Wagen und einer gefälschten FBI-Marke verhaftet wird, macht ihm FBI-Agent Roy Mitchell ein folgenschweres Angebot: Er bietet O’Neal an, die Anklage gegen ihn fallen zu lassen, wenn er undercover für das FBI tätig werde. Er solle die Illinois-Sektion der Black Panther Party infiltrieren und vor allem deren charismatischen Anführer Fred Hampton bespitzeln. Anfangs betrachtet der unpolitische junge Mann seine Mission als kurzfristiges Abenteuer und ist überzeugt, sowohl die Panther als auch das FBI in seinem Sinne manipulieren zu können. Tatsächlich überredet er Agent Mitchell, ihm ein Auto zu beschaffen, und ergattert einen Job als Hamptons Fahrer. So gewinnt er dessen Vertrauen und Zugang zum engsten Führungszirkel der Organisation, in deren Hierarchie er bald zum Sicherheitschef aufsteigt. Dabei entwickelt er Sympathien für Hampton und dessen Ideen. Der begnadete Redner und Visionär hat nicht nur die Aktion „Free Breakfast for School Children“ ins Leben gerufen, sondern arbeitet daran, Allianzen mit rivalisierenden Gruppen und Gangs zu schmieden und eine „Regenbogen-Koalition“ zu bilden. Darin sieht FBI-Direktor J. Edgar Hoover eine Bedrohung der nationalen Sicherheit und warnt vor einem „schwarzen Messias“, den man „neutralisieren“ müsse. Spätestens jetzt will O’Neal, der von Gewissensbissen geplagt wird und ständig seine Enttarnung fürchten muss, aussteigen. Doch Agent Mitchell, der ihn immer wieder erpresst hat, sitzt auch jetzt am längeren Hebel. Schließlich soll O’Neal nach den Plänen des FBI bei der Eliminierung Hamptons eine entscheidende Rolle zukommen.

Der Film beruht auf wahren Begebenheiten und behandelt einen hierzulande nur wenig bekannten Aspekt der Geschichte der schwarzen Bürgerrechtsbewegung der USA, der aber angesichts der aktuellen Black Lives Matter-Bewegung von großer Aktualität ist. Es geht um den Krieg, den das FBI im Rahmen seines geheimen COINTELPRO-Programms mit aller Härte gegen die Bewegung und ihre führenden Persönlichkeiten führte. Bereits 1965 war Malcolm X ermordet worden, im April 1968 folgte Martin Luther King. Die Umstände sind in beiden Fällen bis heute nicht zweifelsfrei geklärt – eine Beteiligung oder zumindest Mitwisserschaft der Behörde ist nicht auszuschließen. Dass sie selbst vor Mord nicht zurückschreckte, zeigte sich bald darauf, als der Vorsitzende der Black Panther Party in Chicago, Fred Hampton, in ihren Fokus geriet. Das FBI sah in der Black Panther Party die größte Bedrohung für die innere Sicherheit der USA, und der aufstrebende junge Polit-Aktivist Hampton sollte unbedingt ausgeschaltet werden, bevor er zum Anführer auf nationaler Ebene aufsteigen könnte. Die gezielten Bespitzelungen und Manipulationen des FBI mündeten in den frühen Morgenstunden des 4. Dezember 1969 in einem Überfall, bei dem schwerbewaffnete Polizeieinheiten mehr als 90 Schüsse auf die Wohnung Hamptons abfeuerten, ihn im Schlaf verwundeten und schließlich durch zwei gezielte Schüsse aus nächster Nähe töteten. Eine Skizze der Wohnung, die auch die genaue Ausrichtung von Hamptons Bett zeigte, hatte William O’Neal für das FBI angefertigt. Außerdem hatte er Hampton Barbiturate ins Getränk gemischt, damit dieser während des Überfalls nicht bei Bewusstsein sein würde. Fred Hampton war zum Zeitpunkt seines Todes 21 Jahre alt.

Regisseur Shaka King hat keine konventionelle Filmbiografie des charismatischen Black Panther-Anführers gezeichnet, sondern hat sich zusammen mit seinem Co-Drehbuchautor Will Berson und den Produzenten Kenny und Keith Lucas für einen ungewöhnlichen Blickwinkel entschieden: Er erzählt die Geschichte des Helden durch die Geschichte seines Verräters und verleiht ihr dadurch eine besondere Spannung und außergewöhnliche Tragik. So entsteht ein packender Polit-Thriller mit actionreicher Handlung und emotionaler Tiefe, der durch das biblische Motiv vom Judas, der den Messias denunziert und seinen Häschern ausliefert, eine Gültigkeit erhält, die weit über das historische Ereignis hinausreicht und auf den bis heute währenden Rassismus verweist.

Dabei werden das politische Klima in den USA der späten 1960er Jahre, der Aufstieg der sozialrevolutionären Black Panther Party und die Machenschaften des FBI historisch korrekt nachgezeichnet und mit ausgewählten Dokumentaraufnahmen unterlegt. Ohne zu übertreiben oder nostalgisch zu werden, lässt der Film die kämpferische Stimmung in den Straßen aufleben und zeigt die revolutionäre Attitüde und den coolen Look der Panther. Obwohl er die wichtige Rolle starker „Schwestern“ in der Bewegung betont, für die stellvertretend Fred Hamptons Lebensgefährtin, die Dichterin Deborah Johnson, steht, ist JESUS AND THE BLACK MESSIAH, in erster Linie ein „Jungsfilm“. Seine Spannung erzielt er durch die konträren Charaktere und die konfliktträchtige Konstellation, in der sie zueinander stehen: Da ist auf der einen Seite der progressive Denker und politische Aktivist Fred Hampton, der für soziale Gerechtigkeit kämpft und die Massen begeistern kann. Auf der anderen Seite steht der Hallodri William O’Neal, der seinen Spitzeldienst zunächst ebenso spielerisch wie kaltschnäuzig angeht, doch zur tragischen Figur wird, je tiefer er in die Struktur der Panther eindringt und sich seiner Situation bewusst wird. Zwar hofft er bis zum Schluss, sich irgendwie aus seiner misslichen Situation herauslavieren zu können, aber letztendlich geht er, wie auch Hampton, an einem System zugrunde, dem zur Aufrechterhaltung seine Vorherrschaft jedes Mittel recht ist. Dabei ist O’Neal Opfer und Täter zugleich. Dafür verantwortlich ist FBI-Agent Roy Mitchell, der, obwohl ihm selbst zwischenzeitlich Zweifel am Vorgehen der eigenen Behörde kommen, von massivem Druck über subtile Verführung bis zu brutaler Erpressung sehr geschickt alle Mittel nutzt, um O’Neal bei der Stange zu halten und den Auftrag zu erfüllen.

Diese Geschichte von Kampf und Verrat erzählt der stringent inszenierte Film mit einem Höchstmaß an Spannung. Die Figuren und die Zwänge, denen sie ausgesetzt sind, sind differenziert gezeichnet und werden von herausragenden Schauspieler:innen verkörpert. Daniel Kaluuya bringt uns mit seiner leidenschaftlichen Interpretation den historischen Fred Hampton mit all seiner Strahlkraft nahe und macht den Verlust spürbar, den sein früher Tod bedeutete. Dafür wurde er verdient mit einem Oscar als Bester Darsteller in einer Nebenrolle prämiert. Auch der ebenfalls nominierte LaKeith Stanfield hätte die Auszeichnung verdient gehabt für seine Verkörperung des FBI-Spitzels William O’Neal, dessen zunehmende Verzweiflung durchaus Mitgefühl hervorruft. Einen starken Eindruck hinterlässt Dominique Fishback als Hamptons Lebensgefährtin Deborah Johnson. Das FBI wird personifiziert durch Jesse Plemons, der als Agent Mitchell überzeugt, und Martin Sheen, der in einem kurzen Auftritt als FBI-Direktor J. Edgar Hoover erschaudern lässt.

Regisseur Shaka King und sein Kameramann Sean Bobbitt begleiten die Personen mit einer dynamischen Kameraführung, die häufig deren Blickrichtung folgt und in kontrastreichen Großaufnahmen die Emotionen in den Gesichtern zeigt und die allgemeine Verunsicherung ausdrückt. Das Set-Design spiegelt die Atmosphäre der 60er Jahre wider, ohne gängigen Genrekonventionen zu erliegen. Der ungewöhnliche Score von Craig Harris und Mark Isham setzt in einer Kombination aus orchestralem Jazz und melancholischen Streichern mit perkussiven Elementen und bewussten Disharmonien starke Akzente. Dramaturgie und Schnitt sorgen für durchgängige Spannung. So ist JESUS AND THE BLACK MESSIAH ein ebenso packendes wie erschütterndes Historiendrama, aber vor allem ein hoch aktueller politischer Film, der entschieden Partei ergreift.