Filmplakat: Joko

FBW-Pressetext

Das Leben hält nicht wirklich viel für Joko bereit. Er lebt mit seiner Schwester und Mutter zusammen in einer kleinen Wohnung, hat einen anstrengenden Job in einer Fabrik – und keine Aussicht darauf, dass sich daran etwas ändern könnte. Doch auf dem Weg zur Arbeit wird Joko eines Tages von einem reichen Mann einfach so angefallen. Der Mann springt auf Jokos Rücken und will ihn als Taxi benutzen. Joko wehrt sich. Mit ihm kann man sowas nicht machen. Auch nicht für Geld. Doch an seinem Arbeitsplatz stellt er fest: Fast jeder der Angestellten lässt sich für Geld als Taxi benutzen. Und Joko denkt sich: Wenn es doch jeder macht, warum dann nicht auch ich? Doch die ‚Transporte werden für Joko von Tag zu Tag beschwerlicher, sodass er aufhören will. Ob sich die Reichen so einfach abweisen lassen? Der neue Kurzanimationsfilm in der Regie von Izabela Plucinska nach der Vorlage eines surrealen Theaterstücks von Roland Topor ist ganz gewollt das komplette Gegenteil eines klassischen ‚Feel-Good-Movies‘. Je tiefer man als Zuschauer in das Schicksal Jokos eintaucht, desto mehr wird die Ausweglosigkeit der Situation bewusst, in die er sich hineinmanövriert hat. Dabei steht Joko als Beispiel für die Ausbeutung der ärmeren Bevölkerung durch Menschen, die glauben, sich durch ihr Geld alles erlauben zu können. Die Knetfiguren, die Plucinska kreiert, bestechen wie auch in ihren anderen Filmen durch eine groteske Körperlichkeit und erzeugen bei den Betrachtenden durchaus Gefühle des Abscheus. Doch es ist genau dieses immersive, sogartige Eintauchen in eine alptraumhafte Welt, die einen nicht mehr loslässt und die kunstvoll das Psychologische und das Politische miteinander verbindet. Ein Film, der erneut die ganz eigene Handschrift der Filmkünstlerin Izabela Plucinska unter Beweis stellt.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Animationsfilm; Kurzfilm
Regie:Izabela Plucinska
Darsteller:Maciej Litkowski; Anna Januszeska; Beata Zygarlicka; Konrad Pawicki; Arkadiusz Buszko, Pawel Niczewski
Drehbuch:Izabela Plucinska; Justyna Celeda
Kamera:(Animation) Izabela Plucinska; Martin Pertlicek; Karolina Golebiowska
Schnitt:Nikodem Chabior
Musik:Aliasksandr Yasinki
Webseite:jokoshort.com;
Länge:15 Minuten
Verleih:Krakow Film Foundation - KFF Sales & Promotion;
Produktion: Izabela Plucinska, Animoon (PL); Maurfilm (CZ); Clay Traces (DE); Maur Film (CZ); Fundacja Las Sztuki (PL), Pomerania Film Fund (PL); Piotr Szczepanowicz (PL);
Förderer:BKM

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Der Animationsfilm JOKO basiert auf dem Werk des französischen Künstlers und Autors Roland Topor und setzt dessen surrealistischen Ansatz ein, um Ausbeutung und Kapitalismus auf drastische Weise zu thematisieren. In der 13-minütigen Stop-Trick-Animation aus Knete entwickelt Regisseurin Izabela Plucinska eine groteske Vision, die durch ihre Materialität und visuelle Originalität besticht.
Die Handlung folgt Joko, einem jungen Mann, der seine gesamte Familie mit einem aussichtslosen Fabrikjob unterstützt. Auf dem Weg zur Arbeit wird er eines Tages von einer fremden Person überfallen, die sich auf seinen Rücken springt und ihn zwingt, sie durch die Stadt zu transportieren. Unter dem Druck von Gruppenzwang und dem Versprechen von Geld gibt Joko nach. Doch diese neue Arbeit – zunächst als Mittel zur Verbesserung seiner Situation gedacht – dominiert ihn zunehmend, sowohl mental als auch körperlich. Diese Absurdität der Ausbeutung zieht sich konsequent durch die Handlung und gipfelt in einer gewaltsamen Revolution, die Jokos Situation jedoch nicht verbessert: Er bleibt gefangen im System.
Die visuelle Gestaltung von JOKO ist herausragend. Die Knetanimation nutzt ihre sichtbare Materialität, um die innere Verdorbenheit der dargestellten Welt zu visualisieren. Perspektivwechsel und Verzerrungen erzeugen eine unwirkliche Atmosphäre, die die Zuschauer:innen in eine zeitlose Metapher über immer neue Formen der Sklaverei eintauchen lässt. Besonders beeindruckend ist die konsequente ästhetische Stringenz, die in den drastischen Bildern und deren Steigerung in Splatter-Elementen zum Ausdruck kommt.
Die individuelle Gestaltung der Figuren ist originell und verhält sich kohärent zum allgemeinen Stil des Kurzfilmes. Die zu Fratzen verzerrte Mimik und schwingenden Körper verstärken den surrealistischen Eindruck. Gleichzeitig setzt der Film klare Anspielungen auf die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts.
Ein besonders eindrucksvolles Motiv ist die kleine, unschuldige Schwester Jokos, die wortwörtlich vom System gefressen wird. Diese Szene, die keine Zeit für Trauer lässt, symbolisiert auf schockierende Weise die Kompromisslosigkeit des Kapitalismus und bleibt lange im Gedächtnis.
JOKO ist ein Kommentar auf die Verteilung von Reichtum und die Frage nach Freiheit und Selbstbestimmung. Die Gesellschaftskritik ist ebenso zeitgemäß wie universell, und die groteske Überspitzung lädt das Publikum ein, über die Absurdität und Unmenschlichkeit von Ausbeutung nachzudenken.
Die Jury vergibt einstimmig das Prädikat "besonders wertvoll".