Jazzfieber

Kinostart: 07.09.23
2023
Filmplakat: Jazzfieber

FBW-Pressetext

Die bes(ch)wingte Geschichte eines ikonischen Musikgenres: Von A bis JazZ, ein facettenreich rhythmischer Leckerbissen für die ganz großen Fans und solche, die es noch werden wollen. Ein Dokumentarfilm, der noch einmal die großen Koryphäen des deutschen Jazz zusammenbringt und sich so ganz mühelos in die ewigen Charts des Musikfilms aufschwingt.

Ob Max Greger, Hugo Strasser, Paul Kuhn, Coco Schumann, Peter Thomas, Rolf Kühn, Karlheinz Drechsel, Peter Baumeister oder Klaus Doldinger – fast jeder deutschen Jazzlegende wird in diesem Dokumentarfilm ein feines Denkmal gesetzt. Auf einer Reise zwischen Vergangenheit und Gegenwart, von den schweren ersten Schritten im Angesicht des Nationalsozialismus bis hin zur freien Entfaltung im Free Jazz werden die Musik und ihre Interpreten zu Zeitzeugnissen, die überdauern. Selbst dann, wenn der Jazz wieder einmal totgesagt wird - die nächste Combo wartet bereits darauf, eingezählt zu werden…

Über zehn Jahre Drehzeit haben eine schier endlose Sammlung an Konzert- und Probenmitschnitten, Interviews mit den ganz Großen des deutschen Jazz und wahre Archivschätze zutage gefördert. In kongenialer Zusammenarbeit mit Produzent Andreas Heinrich kreierte Regisseur Reinhard Kungel daraus ein bedeutsames Denkmal für den Jazz. Reinhard Kungel, der den Film gemeinsam mit Andreas Heinrich produzierte, reiht die vielen Filmschnipsel nicht einfach lieblos aneinander, sondern komponiert in Zusammenarbeit mit Cutter Thomas Holzhäuser in dramaturgischer Perfektion. Das zeigt sich insbesondere in der Vielseitigkeit des zusammenmontierten Materials, das an vielen Stellen auch viel Witz erkennen lässt. Zum Beispiel, wenn für sich selbst genommen eher unspektakuläre Busreisen von Jazzmusikern der Gegenwart mit ganz ähnlich situierten Archivaufnahmen der Vergangenheit gegengeschnitten werden. Abseits der Bühnen zeigen sich in einem beherzten Gähnen der Musiker:innen so fern ihres Elements am Instrument schnell die Gemeinsamkeiten zwischen damals und heute. Es sind auch diese Alltagseindrücke, die den Charme der Musiker:innen und ihrer Musik so plastisch erscheinen lassen. So ist JAZZFIEBER nicht nur eine wunderschöne Hommage an Jazz und Swing, sondern auch in seinem Facettenreichtum informativ und nuanciert. All das wird untermalt durch die musikalischen Highlights einiger Jazzorchester über die Jahrzehnte, die jedem mit nur einem Quäntchen Musik im Blut eine Riesenfreude bereiten. Und letzten Endes liefern deutsche Jazzmusiker:innen der Gegenwart wie Tizian Jost, Hannah Weiss, Alma Naidu, Jakob Bänsch, Caris Hermes in diesem Film den musikalischen Beweis, dass der Jazz in Deutschland mit einer glänzenden Gegenwart auch eine blühende Zukunft hat.

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm
Regie:Reinhard Kungel
Drehbuch:Reinhard Kungel
Kamera:Hans-Peter Eckardt; Reinhard Kungel; Andreas Heinrich
Schnitt:Thomas Holzhäuser; Reinhard Kungel
Musik:Michael Frank Augustin
Webseite:jazz2germany.de;
Länge:92 Minuten
Kinostart:07.09.2023
Verleih:Arsenal Filmverleih
Produktion: rk-film Reinhard Kungel
FSK:12
Förderer:MFG Baden-Württemberg; DFFF

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Die Bilder ähneln sich, sprechen aber dennoch eine andere Sprache: im Tour-Bus der 1950er Jahre wurde frech für die Kamera Musik gemacht, in den 2020er Jahren spielen die Jazzmusiker eher mit ihrem Handy. Dennoch, so die Quintessenz von Reinhard Kungels JAZZFIEBER: Der Jazz ist nach wie vor am Leben. Kungel folgt den Spuren des Jazz von seinen Anfängen in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, bis in die Gegenwart, lässt Jazz-Urgesteine und junge Musiker zu Wort kommen und präsentiert eine ganze Bandbreite an Stilen und Variationen.

Ob er nun deutsch oder englisch ausgesprochen wird, ist eigentlich egal, oder um mit Klaus Doldinger aus dem Film zu sprechen: „Entscheidend sind doch die Töne, die da rauskommen.“ Reinhard Kungel hat sich für seinen Dokumentarfilm auf eine augenscheinlich jahrelange Quellensuche des Jazz in Deutschland gemacht.

Hoch hat die Jury JAZZFIEBER angerechnet, dass er kein Insider-, bzw. Jazzliebhaberfilm geworden ist. Die Einstiegsschwelle zum Film ist so niedrig gehalten, dass auch Zuschauer, die mit Jazz wenig zu tun haben, Interesse an diesem vielfältigen Musikstil entwickeln können. Andererseits werden auch Jazzfans nicht verprellt: Da Kungel zunächst eine Hommage an die deutschen Jazzmusiker der ersten Stunde geschaffen hat, dürfen sich eben auch Fans auf ein Wiedersehen mit Stars des Nachkriegsjazz freuen. Über mehrere Jahre hat Kungel Rundfunkarchive durchstöbert, Interviews geführt und viele Stunden Material gesammelt, die er hervorragend aufgearbeitet und geschnitten hat.

Die Jury mutmaßt, dass Kungel der Auftritt einiger Jazz- und Swing-Legenden im Jahr 2012 in Stuttgart als Ausgangspunkt für den Film genommen und sich dann sukzessive an die Nachforschungen begeben hat. Dabei streift er nicht nur die NS-Zeit, er thematisiert ausdrücklich die Rolle des Jazz unter nationalsozialistischer Diktatur und auch die Schicksale einiger Musiker, mit bisweilen beklemmenden Bildern und Informationen. Aber natürlich widmet sich JAZZFIEBER auch eingehend der Hochzeit des Jazz und seiner Spielrichtungen im deutschen Wirtschaftswunder. Er lässt Interpreten wie Paul Kuhn, Max Greger, Hugo Strasser, Coco Schumann oder auch Karlheinz Drechsler zu Wort kommen und unterstreicht deren Aussagen mit bisweilen possierlich wirkenden Aufnahmen aus Wochenschauen und Rundfunkarchiven.

Tatsächlich aber ist es lange her, dass gesagt wurde, „der Jazz ist die Musik der Jugend.“ Inzwischen ist aus der Tanzmusik der Jugendlichen von damals die Musik eines bildungsbürgerlichen Auditoriums geworden. Jazz – und auch das drückt JAZZFIEBER aus – wird mittlerweile an fast allen Konservatorien unterrichtet und will sich auch längst nicht mehr als Protest gegen konservative Kulturvorstellungen verstanden wissen.

Wie sich in der Diskussion gezeigt hat, hat sich die Jury über den Facettenreichtum und die dramaturgische Gestaltung der Dokumentation gefreut. Wenn Kungel junge Jazzmusiker die Clips über deutschen Jazz der vergangenen Jahrzehnte anschauen und beurteilen lässt, schafft er nicht nur eine erzählerische Verbindung, sondern auch bisweilen unfreiwillig komische Einblicke in Denkmuster junger Musiker. Natürlich bieten die 91 Minuten Film einen Exkurs zum Jazz in der DDR und selbstverständlich auch in die Gegenwart. Lediglich die im Jazz beheimateten Musikerinnen aus Ost und West kommen in der Dokumentation arg kurz, das ist schade. Dennoch bietet JAZZFIEBER alles-in-allem einen handwerklich exzellent gemachten und über die Maßen unterhaltsamen Einblick in die Geschichte des Jazz in Deutschland, dem die Jury, nach ausgiebiger Diskussion, einstimmig gerne das Prädikat BESONDERS WERTVOLL verleiht.