Interstate 8

Filmplakat: Interstate 8

FBW-Pressetext

Was für eine geniale Nacht! Im Auto sitzen, trinken, kiffen, mit coolen Typen abhängen. Doch die Partystimmung für ein junges Mädchen endet jäh, als Cops den Wagen ranwinken und die Jungs wegen Drogenbesitz verhaften. Jetzt steht sie allein da, vor den genervten Polizeibeamten, die sie kaum versteht, weil sie nur wenig englisch spricht. Als sie ins Polizeiauto steigt, sieht sie, dass sie nicht die Einzige ist, die in dieser Nacht „aufgegriffen“ wurde. In ihrem Kurzspielfilm findet Anne Thieme genau das richtige Tempo und die richtige Länge für die Geschichte, die sie erzählen will. Dabei braucht sie nur wenig Dialog, um die Empfindungen und die Gedanken des jungen Mädchens, glaubhaft verkörpert von Stephanie Amarell, zu zeigen. Das Mädchen selbst ist fast stumm, sie ist fremd in einem Land, das sie augenscheinlich loswerden möchte, weil sie für die Polizisten, die in ihrem Dialog ganz realistisch die Ambivalenzen ihres Jobs abbilden, nur eine Belastung ist. Sehr geschickt schafft der Film mit der zweiten Mitfahrerin, einer jungen Latina, eine weitere Ebene, in der so viele ganz aktuelle Themen und Konflikte der amerikanischen Gesellschaft indirekt und unaufgeregt angesprochen werden. Die sehr gute Kameraarbeit von Martin Gasch macht die Spannung und die Enge im Wagen spürbar, und durch die atmosphärische Dichte und die ruhige und reduzierte Erzählhaltung vermittelt sich die Sprachlosigkeit im interkulturellen Machtgefälle nur durch die Kraft der Bilder. Ein perfekt inszenierter Film mit einer starken Message, die sich bis zum offenen Ende besonders in dem vermittelt, was eben nicht erzählt wird.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Drama; Kurzfilm
Regie:Anne Thieme
Darsteller:Stephanie Amarell; Isabela Rengifo; Jacobi Howard; Drew Matthews; Luke Lowder; Jasper Keen; Sam Sherman
Drehbuch:Anne Thieme
Kamera:Martin Gasch
Schnitt:Michal Kuleba; Anne Thieme; Saeid Behbahaninia
Musik:Dascha Dauenhauer; Christoph Bernewitz; Alexander Binder
Webseite:lightsonfilm.com;
Länge:15 Minuten
Verleih:Lights On
Produktion: Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF, University of North Carolina SCHOOL OF THE ARTS Filmmaking;
Förderer:Filmuniversität Babelsberg

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Beide Frauen, denen Anne Thieme in ihrem fiktionalen Kurzfilm INTERSTATE 8 begegnet, sind auf ihre je eigene Weise Fremde im Süden der USA. Die eine stammt aus Deutschland, ist zu Besuch in den USA. Die andere ist eine illegale Einwanderin ohne Papiere. Als die junge Deutsche mit ein paar amerikanischen Jungs einen Ausflug im Auto zu einer Party unternimmt, geraten sie in eine Polizeikontrolle und werden, weil einer der Jungs Drogen bei sich hat, festgenommen. Auf dem Rücksitz des Polizeifahrzeugs begegnet sie einer ungefähr gleichaltrigen jungen Frau, die allerdings nicht so viel Glück hat wie sie.

In knappen, ruhigen Bildern, eingefangen von einer sehr schönen Kamera, die souverän immer wieder von innen nach außen wechselt, erzählt Anne Thieme in ihrem Film von einer ungewöhnlichen Begegnung und ganz nebenbei auch von Polizeigewalt und Rassismus, ohne diese eindeutig in ihrem Film zu zeigen. Dennoch liegt ein starkes Gefühl der Bedrohung über dem gesamten Film, was sich insbesondere dann zeigt, wenn der Wagen mit den jungen Leuten auf dem Weg zu einer Party angehalten wird und sich die Polizisten dem Auto nähern. In diesem Moment wie in vielen anderen hat man als Zuschauer*in das Gefühl, dass der Film sich jederzeit in verschiedene Richtungen entwickeln könnte.

Diese Offenheit und die beeindruckenden schauspielerischen Leistungen aller Akteur*innen verleihen dem Film eine große Authentizität, die zugleich ohne große Dramatisierung auf gegenwärtige Probleme in den USA verweist.