Ihr Sohn
FBW-Pressetext
Sie weicht aus, wenn er sie treffen will. Sie ist viel beschäftigt, betreibt eine Galerie in der Innenstadt. Sie interessiert sich kaum für die Musik, die er macht und die jetzt sein Leben ist. Doch nun hat sich etwas verändert. Und er wird sich nicht mehr abwimmeln lassen. Denn schließlich ist und bleibt er ihr Sohn. Konsequent nimmt der Film IHR SOHN von Katharina Woll die Perspektive des Sohnes ein. Immer bleibt die Kamera ihm auf der Spur, zeigt ihn von vorne in einer Nahaufnahme, folgt ihm lauernd von hinten, wenn er sich auf die Suche nach seiner Mutter begibt. Sebastian Urzendowsky spielt den Sohn mit einer beeindruckenden Mischung aus schwacher erlernter Unsicherheit und dem Trotz eines jungen Mannes, der nicht mehr bereit ist, seine ihm zugewiesene Rolle als ewig vernachlässigter Sohn hinzunehmen. Ihm entgegengesetzt ist die fantastische Marie-Lou Sellem als Mutter. Sie betritt die Szene wie eine Diva, die die Bühne nicht nur beherrscht, sondern die sie besitzt. Doch von ihrem ersten Dialog an spürt man, wie diese Kraft zu einer reinen Fassade schwindet und wie sie lernen muss, ihre eigene sterbliche Schwäche und die Liebe zu ihrem Sohn, den sie so sehr braucht, anzuerkennen. Die Dialoge in IHR SOHN sind fein und mit spitzer Feder gesetzt. Am Anfang wirken die Auseinandersetzungen noch wie Duelle, dann später gibt es immer mehr feine Nuancen, die auch Wärme und echt empfundene Liebe zu lassen. Dafür benutzt Woll nicht nur die minimalistisch fein gestreuten Dialoge, sondern auch eine unaufgeregte Bildsprache, die oft ganz ohne Worte auskommt und trotz all der Kühle im Bildkader eine rührende Annäherung zwischen Mutter und Sohn beschreibt, was auch durch das kluge und sehr stimmige Sounddesign unterstützt wird. Ein in Stimmung, Form und Inhalt herausragender Kurzfilm.Filminfos
Gattung: | Kurzfilm |
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Regie: | Katharina Woll |
Darsteller: | Sebastian Urzendowsky; Marie-Lou Sellem; Peter Weiss; Daniel Brockhaus |
Drehbuch: | Florian Plumeyer |
Kamera: | Albrecht von Grünhagen |
Schnitt: | Kai Minierski |
Musik: | Sebastian Cleeman & SDNMT |
Weblinks: | ; |
Länge: | 23 Minuten |
Produktion: | Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin GmbH (DFFB), RBB; Markus Kaatsch; |
Förderer: | dffb; RBB |
Jury-Begründung
Eine Mutter- und-Sohn-Geschichte, die es in sich hat, ist Katharina Woll mit ihrem Kurzfilm Ihr Sohn gelungen. In knappen Szenen und überaus gelungenen Bildern, die ganz auf ihre eigene Kraft vertrauen, erzählt sie ohne viele Worte oder Erklärungen von dem erwachsenen Musiker Gregor (Sebastian Urzendwosky) und dessen Verhältnis zu seiner Mutter, einer exzentrischen Galeristin (Marie-Lou Sellem), die sich eigentlich nicht mehr viel zu sagen haben. Dann aber eröffnet sie ihm etwas, das ihre Verbindung auf eine neue Basis stellen wird.Getragen von zwei herausragenden Darstellern und mit exzellenter Kamera, tadellosem Schnitt und einem überaus gelungenen Sounddesign entfaltet IHR SOHN seine ganze Wirkung im Unausgesprochenen und Ungesagten, im nicht oder nur beiläufig Gezeigten, an den Rändern und Zwischenräumen der Imagination des Zuschauers, dem die Regisseurin erstaunlich viel zutraut, was mittlerweile im deutschen Film (auch im Kurzfilm) eine Seltenheit geworden ist. Damit gelingt ihr das Kunststück, einerseits einen Kurzfilm zu machen, der einerseits durchaus beispielgebend für die besonderen Anforderungen dieser Gattung in Bezug auf die erzählerische Ökonomie ist. Andererseits aber zeigt der Film auch deutlich, dass in dieser jungen Filmemacherin ein großes Potenzial steckt, ein Versprechen auf eine Zukunft, die auch für längere Formate einiges erwarten lässt. Ein sehenswertes Psychogramm einer Familienbeziehung, das lange nachwirkt und das man so schnell nicht vergisst.