Hollow Reed - Lautlose Schreie

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Keine ungewöhnliche inhaltliche Konstellation: Eine Frau läßt sich von ihrem Mann scheiden, als sich dessen Homosexualität herausstellt und geht eine andere Bindung ein. Der Mann ebenfalls: Er lebt mit einem Freund zusammen. Leidtragender dieser Scheidung ist der 9jährige Sohn, der der Mutter zugesprochen wurde, aber zum Vater will. Als dieser erkennt, daß der Junge von dem Liebhaber seiner Mutter gequält und geschlagen wird, kämpft er mit Leidenschaft um eine Neuregelung des Sorgerechts.

Daß diese Geschichte, die in ihren Dimensionen und Figuren mancherlei erzählerischen Sprengstoff birgt, dennoch eine in hohem Maße tolerante Interpretation findet, in der niemand ohne Grund denunziert wird, ist nicht zuletzt das Verdienst der Regisseurin. Sie versteht es, Glaubwürdigkeit mit Spannung zu verbinden und Konflikte nachvollziehbar zu entwickeln.

Die umfangreiche Gerichtsverhandlung hemmt nach Auffassung einer Minderheit des Ausschusses den Fluß der Erzählung. Ihre Ausführlichkeit wird insofern als eine gewisse Verselbständigung empfunden, als hier das Thema Homosexualität in der Ehe einen zu großen Raum einnimmt. Da dieses Thema aber in enger Beziehung zu dem Schicksal des Kindes steht, ist es in dieser Form zu akzeptieren.
Neben dem jugendlichen Hauptdarsteller, dessen verstörtes Gesicht und fragende Augen einen stummen Kommentar zu allem Geschehen liefern, haben die erwachsenen Darsteller keinen leichten Stand.
Kamera, Ausstattung, Milieuschilderung und Musik entsprechen dem generell hohen künstlerischen Standard des Films.