Hörst du, Mutter?

Filmplakat: Hörst du, Mutter?

FBW-Pressetext

Eine kurdische Frau wird in einem türkischen Dorf zu sechs Jahren Hausarrest verurteilt. Ihr älterer Sohn kann sie jedoch nicht davon abhalten, ständig die unsichtbare Grenze der Fußfesseln zu überschreiten. Im Konflikt mit zwei Autoritäten, seiner Mutter und der Polizei, sieht er sich mit seinen eigenen Grenzen konfrontiert. Mit viel Ruhe erzählt der Kurzspielfilm von Tuna Kaptan, der mit diesem Film seinen Abschluss an der HFF München absolviert, eine Geschichte, die nachdenklich macht und berührt. Die Tatsache des Hausarrests wird eindrücklich deutlich, dazu vermittelt sich auch die ganze Absurdität des Konzepts, Menschen ihrer Freiheit zu berauben, um sie dadurch gefügig zu machen. Gerade diese Absurdität erlaubt trotz aller Dramatik auch komische Momente zwischen Mutter und Sohn, die von Kaptan und seinem Kameramann Roy Yunus Imer klug beobachtet und eingefangen werden. Ein atmosphärisch dichter, sensibel erzählter und fein strukturierter Kurzfilm, der nicht nur Einblick gibt in die fremde Kultur eines anderen Landes, sondern auch einen genauen Blick findet für die Absurdität seiner Gesetze.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Drama; Kurzfilm
Regie:Tuna Kaptan
Darsteller:Aziz Capkurt; Sebiha Bozan
Drehbuch:Tuna Kaptan
Kamera:Roy Yunus Imer
Schnitt:Sophie Oldenbourg
Musik:Özgür Akgül
Webseite:donaukapitaen.com;
Länge:19 Minuten
Produktion: FILM PRODUCTION Donaukapitän Tuna Kaptan, BR; HFF München;
Förderer:FFF Bayern; HFF München

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

In ruhigen, eindrucksvollen Szenen, die mitunter bei aller Ernsthaftigkeit des Themas auch manche komischen Momente haben, erzählt Tuna Kaptan in seinem Film HÖRST DU, MUTTER? von einer Situation, von der man bei uns in Deutschland allenfalls entfernt hört: Weil eine kurdische Frau gegen türkische Gesetze verstoßen hat, wird sie unter Hausarrest gestellt. Eine elektronische Fußfessel schränkt ihren Bewegungsradius erheblich ein. Doch aus Versehen überschreitet sie wiederholt die unsichtbare Grenze, nach deren Übertritt das Gerät Alarm schlägt und daraufhin die Polizei jedes Mal vor der Tür steht. Ihr Sohn, mit dem sie zusammenlebt, gerät an den Rand der Verzweiflung. Immer wieder muss er sich neue Maßnahmen einfallen lassen, um den Bewegungsdrang der resoluten Mutter einzuschränken. Und dazu - so erzählt der Film sehr beiläufig -, muss er auch Tricks anwenden, um die Mutter von einer an sich harmlosen Tätigkeit abzuhalten: dem Stricken.

Dabei gerät der Sohn in einen Konflikt zwischen gleich zwei Autoritäten - auf der einen Seite gegenüber der Staatsmacht, auf der anderen gegenüber seiner Mutter, die ihn zwar gehörig nervt, die er andererseits aber auch respektiert und die er schützen will. Und so lässt er sich immer wieder etwas Neues einfallen, werden die Maßnahmen immer rigoroser, entspringen aber zugleich der Logik der Umgebung und wirken niemals aufgesetzt oder übertrieben. So wird aus der Schnur, die anfangs die Mutter in Zaum halten soll, eine kleine Mauer und schließlich Stacheldraht, der das Gefängnis, in dem sie steckt, vollends deutlich macht.

Bemerkenswert beiläufig und voll stiller Lakonie erzählt der Film von einem realen Schicksal, wie eine Tafel am Schluss verdeutlicht, wie es in der Türkei kein Einzelfall sein dürfte und bringt das Kunststück fertig, eine eigentlich ernste Geschichte mit viel Sinn für die absurden und lustigen Facetten zu erzählen und dabei bewundernswert in der Balance zwischen beiden Polen zu bleiben.