Hinter dem Wald

Filmplakat: Hinter dem Wald

FBW-Pressetext

Eigentlich ist da gar kein richtiger Wald. Nur eine kleine Baumlinie, die die Häuser und die Bewohner von dem großen Areal an Land trennt. Sehen könnten sie es zwar, dürfen es aber nicht. Also können sie nur spekulieren, sich ärgern, sich wundern. Was da wohl gebaut wird. Und von wem es wohl gebaut wird. Francesca Bertin und Leonhard Kaufmann gelingt mit HINTER DEM WALD ein hochinteressanter und informativer Kurzdokumentarfilm. Und das, ohne das im Film thematisierte Objekt jemals auch nur einmal zu zeigen. Gerade das macht den Reiz des Films aus. Ganz normale Menschen mutmaßen, meckern, geben sich kämpferisch oder bewusst entspannt, regen sich auf oder machen sich fast ein wenig lustig. Denn seit 2012 wird auf dem Areal „hinter dem Wald“ ein Truppenübungsplatz aufgebaut, auf dem beispielsweise der Häuserkampf im Falle eines terroristischen Angriffs simuliert werden soll. Immer wieder werden die Bäume gezeigt, untermalt von einer atmosphärischen Tonebene, die gekonnt den Zweifel, das Unwissen der Anwohner und die mysteriöse Bedrohung vermittelt. Durch die geschickte Etablierung des Konflikts im Setting, die authentischen Aussagen der Menschen und die kluge Montage ist HINTER DEM WALD ein Film, der, ohne explizit etwas zu sagen, gerade zwischen den Zeilen ungeheuer viel erzählt.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Auf dem Gebiet der Colbitz-Letzlinger Heide im Norden Sachsen-Anhalts befindet sich der Truppenübungsplatz Altmark. Mit einer Fläche von circa 23.000 Hektar gehört er zu den größten Übungsplätzen der Bundeswehr. Bis 2017 dauern noch Bauarbeiten an, dann soll dort die Übungsstadt Schnöggersburg entstehen. Hier sollen Soldaten die Aufstandsbekämpfung in Städten und auch den Häuserkampf trainieren können. Diese Informationen sind der Hintergrund von HINTER DEM WALD, einer 10minütigen Kurzdokumentation von Francesca Bertin und Leonhard Kaufmann.
Doch all diese Informationen werden gar nicht thematisiert. Den Filmemachern geht es um etwas anderes. Sie interviewen Menschen, die unmittelbar mit dem Truppenübungsplatz verbunden sind – und ihn doch nie zu sehen bekommen. HINTER DEM WALD zeigt die Bewohner und Eigentümer einer Schrebergartenkolonie, direkt am Rand eines Waldes. Am anderen Ende des Waldes ist das Militär, das aber keine Einblicke in seine Bau- und Entwicklungsvorgänge erlaubt. Die Jury war beeindruckt von der Art und Weise, wie die Filmemacher den Konflikt, der nur durch kurze Texteinblendungen erläutert wird, anhand des gewählten Settings für den Zuschauer nachvollziehbar machen. Die Interviews selbst sind nicht geschwätzig, es wird eher sparsam geredet, die Aussagen sind von Pragmatismus geprägt. Und doch ist man als Zuschauer ständig auf der Suche nach mehr Informationen, spürt, wie aufgestaute Wut und Frustration sich bei den Anwohnern in all der Zeit manifestiert hat. Hinzu kommt eine gekonnt komponierte Tonebene. Mit dumpfen Tönen ist die Szenerie der still ruhenden Tannen am Waldrand untermalt und erzeugt so ein sehr sinnliches Mystery-Gefühl. Auch die ruhige Kamera wirkt hier unterstützend, denn mit jedem Schnittbild des Waldes geht sie ein kleines Stückchen näher an die Baumgrenze heran. So wird der Zuschauer ein noch engerer Verbündeter der Interviewten und stellt sich die Frage: Was verbirgt sich wirklich hinter dem Wald? Und warum darf man es nicht sehen?
Für die Jury ist HINTER DEM WALD ein sehr gelungener Beweis dafür, mit welch sparsamen und doch klug komponierten Mitteln eine Dokumentation Informationen vermitteln kann, ohne diese direkt im Bild zu zeigen. So ist der Zuschauer aufgefordert, über den „Waldrand“ hinaus zu denken. Dies gelingt den Filmemachern Francesca Bertin und Leonhard Kaufmann ausgenommen gut. Die Jury freut sich daher sehr, dem Film einstimmig das höchste Prädikat „besonders wertvoll“ zu verleihen.