Heldin
FBW-Pressetext
In ihrem neuen Film schildert die Schweizer Filmemacherin Petra Biondina Volpe den Alltag einer Pflegefachkraft in einem Krankenhaus. Ein grandioser Film, getragen von einer unglaublichen Leonie Benesch. Und dazu eine Verbeugung vor den Heldinnen und Helden, für die dieser Film der Alltag ist.Es ist ein ganz normaler Morgen. Floria steigt aus dem Bus und betritt das Krankenhaus, in dem sie als Pflegefachkraft arbeitet. Floria liebt ihren Beruf. Und sie liebt Menschen. Doch die hohe Arbeitsbelastung, ausgelöst durch eine chronische Unterbesetzung der Station, ermöglicht es Floria nicht, für jeden ihrer Patienten die gewünschte Zeit aufzubringen. Aber Floria versucht es dennoch. Mit netten Worten, mit Zuhören, mit Aufmerksamkeit. Dabei geht die junge Frau permanent an ihre Grenzen - und darüber hinaus. Was nicht nur für Floria persönlich Konsequenzen mit sich bringt.
Auch wenn HELDIN ein Spielfilm ist, so erzählt der neue Film von Petra Biondina Volpe fast dokumentarisch authentisch von dem Alltag einer ganz ‚normalen‘ Pflegefachkraft in einem ganz ‚normalen‘ Krankenhaus. Die hervorragende Kamera von Judith Kaufmann lässt Floria nicht eine Minute aus dem Fokus und begleitet sie auf Schritt und Tritt bei ihrer Schicht. Die hohe Taktzahl der Aufgaben entwickelt einen atemlosen Rhythmus, unterstützt von einem treibenden, aber nie dominant im Vordergrund stehenden Score. So entsteht eine permanent unterschwellig bedrohliche Atmosphäre, die eine sich ankündigende Katastrophe wie ein Damoklesschwert über sich trägt und spannend wie ein Thriller ist. Doch der Film lässt für das Publikum – und für Floria – kleine Inseln der Ruhe, die, weil sie eben so selten sind, umso intensiver wirken. Wenn Floria eine gerade verstorbene Frau für die Angehörigen aufbettet und sich mit liebevoller Aufmerksamkeit um jedes Detail kümmert, dann findet der Filme in seinen Bildern eine rührende und aufrichtige Definition für etwas, was unter den Umständen fast unmöglich scheint: Würde und Respekt vor dem Menschen. Auch nach dem Tod. Dass der Film neben seinem kongenialen Zusammenspiel aus Kamera, Montage, Musik, Licht und Ausstattung so funktioniert, liegt auch an der Darstellung der Floria durch Leonie Benesch. Nicht eine Sekunde zweifelt man daran, dass diese Figur aus voller Seele heraus eine Krankenschwester ist. Benesch spielt Floria nicht, sie lebt diese Rolle – und lässt in jeder Geste, jedem Gesichtsausdruck das erkennen, was der Film erzählen will: Die bis zur Grenze des körperlich und seelisch machbaren gehende Aufopferung für einen Beruf, der von der Gesellschaft zu gering geschätzt und zu gering entlohnt wird. HELDIN ist ein Film, der den Missstand der aktuellen Pflegesituation im deutschsprachigen Raum anprangert. Und der in knapp 92 Minuten deutlich macht, warum sich daran etwas ändern muss.
Filminfos
Gattung: | Drama; Spielfilm |
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Regie: | Petra Biondina Volpe |
Darsteller: | Leonie Benesch; Sonja Riesen; Selma Aldin; Alireza Bayram; Aline Beetschen; Jasmin Mattei; Urs Bihler; Nicole Bachmann; Doris Schefer; Margherita Schoch |
Drehbuch: | Petra Biondina Volpe |
Kamera: | Judith Kaufmann |
Schnitt: | Hansjörg Weißbrich |
Webseite: | tobis.de; |
Weblinks: | kinofans.com; |
Länge: | 92 Minuten |
Kinostart: | 27.02.2025 |
Verleih: | Tobis |
Produktion: | Zodiac Pictures International, MMC Studios Köln GmbH; Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft; Schweizer Fernsehen; |
FSK: | 6 |
Förderer: | FFA |
Jury-Begründung
Petra Bionina Volpe gelingt mit HELDIN etwas sehr Ungewöhnliches: Sie malt ein beeindruckend realistisches Porträt des Alltags einer Krankenschwester und macht gleichzeitig sichtbar, dass die "Heldin" im Zentrum ihren Beruf liebt. Sie zeigt auch, warum sie das tut, und erzeugt darüber hinaus eine thrillerhafte Spannung, die das Kinopublikum nicht nur bei der Stange hält, sondern durch einen Parcours verschiedenster Emotionen führt.Viel hängt dabei an der Hauptdarstellerin Leonie Benesch, die hier nach DAS LEHRERZIMMER einmal mehr beweisen darf, wie großartig sie in der Darstellung von Konzentration und Kompetenz und Isoliert-darin-sein ist. Ein wirklich gut geschriebenes Drehbuch hilft ihr dabei, die Handlung, die ohne echte Bösewichte oder dergleichen auskommt, trotzdem mit großem Tempo durchzuziehen. Die kleinsten Alltagsgesten, beiläufig gespielt, werden so zu wahren ‚MacGuffins‘, die Hochspannung erzeugen.
Die Patientenfiguren, die durch den Arbeitsablauf der "Heldin" gewissermaßen vorgestellt werden und mit ihren Problemen den Stoff für Sub-Plots geben, sind alle gut und ohne Klischeesetzung entwickelt. Ihre einzelnen Geschichten und Reaktionen erscheinen authentisch und nachvollziehbar. Als Zuschauer wird man quasi durch die Perspektive der Hauptfigur zur Empathie angehalten.
Thriller-Elemente greift auch die Kameraführung auf, die nah an der "Heldin" bleibt, ohne dabei den Gestus des Dokumentarischen anzunehmen; der subtile Score treibt das Tempo an, ohne zu viel an Emotion vorzugeben. Selbst die Pausen, die es in der Handlung gibt, sind mit Feingefühl getaktet und erscheinen auf den Punkt präzise und notwendig.
Es ist selten und erscheint umso herausragender, dass ein so wichtiges, aktuelles und dabei auch belastetes Thema wie die Pflege in so effektiver, überzeugender, mitreißender Form verhandelt wird, wie es Petra Biondina Volpe hier gelingt.
Die Jury vergibt einstimmig das höchste Prädikat ‚besonders wertvoll‘.