Filmplakat: Granica

FBW-Pressetext

Polen, 2021: Oliwia ist Försterin und lebt mit ihrem Mann am Rande des Waldes in der Grenzregion zu Belarus. In dem Wissen, dass in dieser hochmilitarisierten Zone viele Geflüchtete unterwegs sind, stellt sie regelmäßig Essen vor die Tür, um den Menschen wenigstens ein bisschen zu helfen. Ihr Mann heißt nicht gut, was Oliwia da macht, aber für sie ist es keine Option, nicht zu helfen. Als eines Tages ein schwer verletzter Mann vor ihrer Tür steht, lässt sie ihn kurz herein, um ihm einen Anruf bei seiner Familie zu ermöglichen. Doch als er wieder draußen ist, bricht er verletzt zusammen. Und Oliwia entscheidet, dass sie nun nicht länger nur zuschauen kann. Der Kurzspielfilm in der Regie von Joshua Neubert erzählt auf eindringliche Weise eine Geschichte von Krieg, Flucht und Ausgrenzung, ohne die unmittelbaren Gewaltaktionen zu zeigen. Eher geht es Neubert darum, über die Figur einer scheinbar Unbeteiligten, die durch ihren inneren moralischen Kompass in den Konflikt hineingezogen wird, die Zuschauenden über die Frage reflektieren zu lassen: Wie würde ich in einer solchen Situation handeln? Das intensive Spiel von Barbara Izabela Wysocka als Oliwia wird durch die vielen Nahaufnahmen (Kamera: Larius Kieninger) noch unterstützt. Dabei fängt die Kamera nicht nur die handelnden Personen gut ein, sondern schafft durch das Spiel mit Licht und entsättigten Farben auch ein beengendes Gefühl der Ausweglosigkeit für alle Beteiligten. GRANICA ist als Übungsarbeit an der Filmakademie Baden-Württemberg ein eindrucksvolles Zeichen für das Talent von Joshua Neubert und seinem sensiblen Gespür für Spannung und Atmosphäre.
Prädikat wertvoll

Filminfos

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Joshua Neubert versucht in den knapp 20 Minuten seines Kurzspielfilms GRANICA von der Bankrotterklärung des humanistischen Handelns zu erzählen, die an europäischen Grenzen wie der zwischen Polen und Belarus offenbar wird. Seine Protagonistin Oliwia wohnt in einer Sperrzone an dieser Grenze, in der Geflüchtete sich im Wald verstecken. Einem dieser Geflüchteten versucht sie zu helfen, doch der Film macht deutlich, wie aussichtslos ihre Rettungsaktionen sind. GRANICA wird ausschließlich aus der Perspektive seiner Protagonistin erzählt, und so ist es auch konsequent, dass das Telefongespräch des Geflüchteten zwar Wort für Wort zu hören ist, aber nicht wie alle anderen Dialoge des Films deutsch untertitelt wurde. Doch dies bedeutet auch, dass es noch schwieriger ist, sich in diese Filmfigur einzufühlen, und genau diese Tatsache wurde während der ausgiebigen Jury-Diskussion zum Film kritisiert. Joshua Neubert hat den Film in einem sehr realistischen Stil inszeniert, der zwar eindrucksvoll die Brutalität der Grenztruppen und den Fremdenhass einzelner Einheimischer deutlich macht, aber dadurch den Film auch ein wenig eindimensional wirken lässt. Barbara Wysocka als Oliwia bekommt jedoch zweifelsohne die Gelegenheit, durch Nuancen in ihrem Spiel ihre Filmfigur lebendig werden zu lassen. Alle anderen Figuren erscheinen eher als Funktionsträger. Ohne Einschränkung überzeugt hat die Jury dagegen die Dringlichkeit und die Wucht der Geschichte.
Im Anschluss an eine spannende Diskussion und in Abwägung aller dargebrachten Argumente vergibt die FBW-Jury dem Film gerne das Prädikat WERTVOLL.