Genosse Tito, ich erbe

Filmplakat: Genosse Tito, ich erbe

FBW-Pressetext

Olga Kosanovic ist in Österreich geboren und aufgewachsen. Doch ihre Großeltern leben in Serbien, in einem wunderschönen Haus mit Garten an einem idyllischen Berghang. Zusammen mit ihrem Bruder und ihrer Mutter besucht Olga nun ihre Großeltern, um das Erbe vorzubereiten. Und da gibt es vieles, das besprochen werden muss. Wo genau wird das Wasser abgestellt? Geht überall das Licht? Wer kümmert sich um das Grundstück? Oder sollte man nicht besser alles verkaufen? All diese Fragen werden verhandelt, ganz sachlich, wie beiläufig. Und doch steckt in jeder Aufnahme, in jedem familiären kleinen Zwiegespräch dieses Kurzdokumentarfilms von Olga Kosanovic ungeheuer viel Wärme und Nähe. Und immer wieder schwebt ein zentraler Begriff im Raum und in der Luft: Heimat. Was sie ist, wo sie ist, wie sie sich anfühlt. Und wie eng sie verknüpft ist mit den Menschen, die Heimat bedeuten. Diese universellen Begriffe erlauben, dass sich Zuschauende unabhängig von einer kulturellen oder nationalen Herkunft mit den Gedanken und Fragestellungen identifizieren. Kosanovic schließt sich selbst in ihren Film mit ein, unterhält sich mit ihrer Familie, behält aber gleichzeitig auch immer einen beobachtenden Abstand. Und durch den Titel, der auf die historische Figur des ehemaligen jugoslawischen Staatschefs verweist, deutet der Film auch mit kluger Reflexion auf den jugoslawischen Konflikt, der bis heute in den einzelnen Regionen nachwirkt und als Wunde noch lange nicht verheilt ist. Kosanovic ist mit GENOSSE TITO, ICH ERBE ein Dokumentarfilm gelungen, der persönliche Betroffenheit und allgemeine Gültigkeit meisterlich in sich vereint. Ein ganz besonderer Film.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm; Kurzfilm
Regie:Olga Kosanovic
Drehbuch:Olga Kosanovic
Kamera:Olga Kosanovic
Schnitt:Olga Kosanovic
Länge:27 Minuten
Produktion: Olga Kosanovic
FSK:0
Förderer:FFHSH; Hochschule für bildende Künste, Hamburg

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Die FBW-Jury hat dem Film das Prädikat besonders wertvoll verliehen.

Eine sommerliche Familienzusammenkunft im ländlichen Serbien. Die Großeltern der Filmemacherin Olga Kosanovic wollen sie und ihren Bruder darauf vorbereiten, dass sie dieses Haus und dieses Grundstück bald erben werden. Auch die Mutter ist dabei. Gefilmt werden alltägliche Situationen. „Homemovie“ könnte eine andere passende Bezeichnung für diesen Kurzfilm sein – und sie passt auch deshalb, weil es um die vielschichtige Bedeutung des Wortes „Heim“ oder „Heimat“ geht. Die beiden noch jungen Geschwister sind in ihrer Kindheit mit der Mutter nach Österreich ins Exil gegangen. Für sie ist das heutige Serbien keine Heimat, aber auch in Österreich sehen die anderen sie als Ausländer an. Die Großeltern und die Mutter erinnern sich nostalgisch an die Zeiten, in denen Tito noch gelebt hat und Jugoslawien ein friedliches Land war. Deshalb wendet sich Olga Kosanovic mit ein paar kurzen Sätzen, als Voice-Over gesprochen, direkt an den ehemaligen Staatschef, der schon gestorben war, als sie geboren wurde. Und dies, obwohl ihr Bruder eine solche Off-Stimme im Film ablehnt, so wie er auch kein Kino, keinen „Almodovar“ haben will, sondern der Film stattdessen „ehrlich“ sein soll. Solch einen ehrlichen Film hat Olga Kosanovic gemacht, und dazu gehört auch, dass in ihm die selbstreferentiellen Vorbehalte ihres Bruders Platz finden. Große, universelle Themen wie das Altwerden, das Verhältnis der Kinder zu Eltern und Großeltern, die Frage, ob und wie es einen Menschen verändert, wo er aufwächst und was Heimat bedeutet, werden hier auf einer sehr bodenständigen und persönlichen Ebene verhandelt. Meist in Gesprächen zwischen den verschiedenen Familienmitgliedern, aber auch in einigen gestellten Situationen. So bindet sich Olga Kosanovic etwa vor einem Spiegel das Pioniertuch ihrer Mutter um, während diese den Eid vorliest, den sie leistete, als sie zur Pionierin geweiht wurde. Olga Kosanovic ist hier ein mit viel Feinfühligkeit gefilmtes Familienporträt gelungen, in dem sie deutlich macht, wie komplex und widersprüchlich das Wort „Erbe“ im Titel für sie und ihren Bruder ist. Mit seinem subjektiv, minimalistischem Stil nimmt sie dabei eine scheinbar naive Perspektive ein, aber in der Konzeption, Gestaltung und Umsetzung ist GENOSSE TITO, ICH ERBE alles andere als ein naiver Film.