Gefangen im Netz - gekürzte Schulfassung

Filmplakat: Gefangen im Netz - gekürzte Schulfassung

FBW-Pressetext

Konsequent ehrlicher, hochrelevanter und sorgsam aufbereiteter Aufklärungsfilm über Cyber-Grooming.

Der Dokumentarfilm von Barbora Chalupová und Vít Klusák beleuchtet das Thema Kindesmissbrauch und Cyber-Grooming im Netz. Eindringlich und konsequent zeigt das filmische Experiment die Wichtigkeit der Prävention auf, die es braucht, um Kinder vor dieser Bedrohung im Internet zu schützen.

Dass die drei erwachsenen Schauspielerinnen, die auf verschiedenen Social-Media-Profilen vorgeben, erst 12 Jahre alt zu sein, in nur 10 Tagen allein 2.458 Kontaktanfragen von Männern mit eindeutigen Absichten erhalten, ist nur eines der schockierenden Fakten, die der Dokumentarfilm offenbart. Von Anfang an begleiten die Zuschauer das filmische Experiment, das sich, vom Aufbau bis hin zu Diskussionen innerhalb des Teams, komplett transparent gibt. Die Schauspielerinnen, die sich auf das Experiment einlassen, werden dabei nie allein gelassen und erhalten psychologische und rechtliche Beratung. Immer wieder wenden sich die Schauspielerinnen selbst an die jungen Zuschauer*innen, erklären den Kontext des Gesehenen und geben Ratschläge, wie man sich verhalten sollte, wenn einem so etwas im Netzt passiert. Mit dem Resultat, die Täter durch Weitergabe der Informationen polizeilich zu verfolgen, geht der Film auch investigativ vor und wirkt gleichzeitig präventiv. Als Aufklärung, Warnung und der so wichtigen Öffnung für einen öffentlichen Diskurs. In der hier mit den zusätzlichen Kommentaren und Erläuterungen aufbereiteten 63-minütigen Fassung ist der Film für den Einsatz in Schulen hervorragend geeignet. Das Gutachten zur Kinofassung des Films finden Sie unter https://www.fbw-filmbewertung.com/film/gefangen_im_netz.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm
Regie:Barbora Chalupová; Vít Klusák
Darsteller:Sabina Dlouhá; Anezka Pithartová; Tereza Tezká
Drehbuch:Barbora Chalupová; Vít Klusák
Kamera:Adam Kruliš
Schnitt:Vit Klusák
Musik:Pjoni
Länge:63 Minuten
Verleih:Filmwelt Verleih
Produktion: Hypermarket Film, Czech Television; Peter Kerekes; Radio und Television Slovakia; Helium Film; Produktion

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

GEFANGEN IM NETZ thematisiert in Form eines experimentellen Dokumentarfilms ein verbreitetes Problem der tschechischen (und auch deutschen) Gesellschaft: dem Umstand, dass viele Kinder und Jugendliche unkontrolliert von den Eltern einen Großteil ihrer Zeit im Internet verbringen. Dort kommt es häufig zu virtuellem sexuellem Missbrauch, was der Film nachdrücklich bestätigt. Dieser Film liegt in unterschiedlichen Fassungen vor und wird im Folgenden in seiner kurzen, für Jugendliche ab 12 Jahren geeigneten Fassung beurteilt.
Die Mehrdeutigkeit des Titels Gefangen im Netz verweist bereits auf das Thema: In einem Studioversuchsaufbau werden drei erwachsene Schauspielerinnen, die erheblich jünger aussehen, als 12-13-Jährige situiert, die in konstruierten Kinderzimmern am Computer auf Anfragen von älteren Männern antworten. Das Experiment beginnt bereits Minuten nach dem Anlegen der Profile auf bekannten Internetplattformen, denn umgehend melden sich Nutzer mit Kontaktanfragen – auch Männer mittleren Alters. Der komplexe Versuchsaufbau bemüht sich um eine möglichst authentische Grundsituation, die ein ungehemmtes Verhalten der potenziellen Missbrauchtäter ermöglicht. Der Film macht die Kommunikationsmuster deutlich und lässt sie dann in Ansätzen sexualpsychologisch diskutieren. In Zwischensequenzen, die nicht in der langen Kinofassung vorkommen, wenden sich die jungen Darstellerinnen direkt an das jugendliche Zielpublikum und geben diesem explizite Ratschläge, wie man sich im Internet schützen kann und wie man mit solchen Situationen umgehen kann. Dabei geben sie Hinweise auf die rechtliche Situation bezüglich sexuellem Kindesmissbrauch im Internet.
Die Radikalität der dokumentierten Gespräche und die Konsequenz der Darstellerinnen ermöglichen einen intimen und verstörenden Einblick in die verborgene Welt sexueller Übergriffe. In den Gesprächen werden feste Muster, aber auch individuelle Bedürfnisse deutlich, die ein mitunter differenziertes Bild der Belästiger ermöglichen. Das wird auf der nächsten Stufe, den persönlichen Treffen im zweiten Teil des Films, noch deutlicher. Hier wird teilweise die kriminelle Energie der Täter spürbar, sowie auch deren Uneinsichtigkeit, da sie sich als gewöhnlicher Teil der Gesellschaft zu begreifen scheinen. Sie sehen ihre Taten nicht als Übergriffe, sondern als virtuelles Spiel.
Die Jury diskutierte bereits die Langfassung des Films intensiv und beschäftigte sich nun eingehend mit der kürzeren Fassung für ein junges Publikum. Kontrovers wurde weiterhin die ‚Fallenstellrhetorik’ des Versuchsaufbaus und die Simulationskraft des Webcam-Setups diskutiert, wobei positiv bemerkt wurde, dass die Inszenierung den mitschwingenden Voyeurismus selbst diskursiviert. Auf diese Weise bietet der Film ein Ambivalenzerlebnis und setzt das systemische Problem gegen den pathologischen Einzelfall, wobei allerdings einfache Erklärungen vermieden werden. Die digitale Maskierung der Täter als ästhetisches Mittel wurde zwiespältig empfunden, doch funktioniere dieses Stilmittel im Kontext. Es kommt der konsequenten Versuchsanordnung zugute, dass der Film einen überzeugenden und schockierenden Einblick in die dunkle Seite des Internets bietet. Die eigens für diese Neufassung hineinmontierten Statements der Schauspielerinnen und ihre konkrete Ansprache des Publikums erweisen sich sehr gut als Aufklärung für Kinder und sind nach Ansicht der Jury für Eltern und Erzieher*innen gleichermaßen gut geeignet.
In der Diskussion der spielfilmlangen Fassung wurde festgestellt, dass einige intensive Momente und auch Längen vor allem im Kinoeinsatz funktionieren werden, während eine eher auf den informativen Aspekt reduzierte kürzere Fassung für den aufklärenden Schuleinsatz nun ebenfalls vorliegt. Diese besondere Qualität der Kurzfassung im Vergleich zur Kinofassung wurde durchweg als gelungen und überzeugend gesehen. In sorgfältiger Abwägung würdigte die Jury den aufklärerischen Impuls des Films und verleiht dieser Fassung einstimmig das Prädikat ‚besonders wertvoll‘.