Garagenvolk
FBW-Pressetext
GARAGENVOLK nimmt den Zuschauer mit auf eine Reise in den russischen Norden. Wo Menschen in einer Garagensiedlung ihrem Alltag zwischen Arbeitslosigkeit, Frustration und stolzem Erfindergeister nachgehen. Dem Dokumentarfilm gelingt ein herausragendes Kaleidoskop an außergewöhnlichen Menschen und Geschichten. Mit Bildern, die fürs Kino gemacht sind.In ihrem Debütlangfilm hat die Regisseurin Natalija Yefimkina mit dem erfahrenen Kameramann Axel Schneppat zusammengearbeitet. Gemeinsam gelingen den Beiden Bilder, die nicht nur innerszenisch exzellent gelöst und wie fürs Kino gemacht sind, sondern auch in ruhiger Montage die Tür zu einer fremden Kultur und Welt öffnen, ohne diese als exotisch oder lächerlich darzustellen. Yefimkina und ihr Team lassen allen Protagonist*innen ihre Würde und Menschlichkeit und zeigen, dass sich hinter jedem Garagentor ein Schicksal verbirgt, das es sich zu erzählen lohnt. Dass das Leben im russischen Norden, wo Arbeit Mangelware und prekäre Lebensumstände die Normalität darstellen, als Leben in der Marginalität alles andere als rosig ist, zeigt Yefimkina unverblümt. Doch das Elendige nach vorne zu stellen, ist nicht der Fokus des Films. Denn am Ende halten alle zusammen und finden Trost in der Gemeinschaft. Das große Vertrauen, welches die Porträtierten Yefimkina gegenüber haben mussten, zeigt sich in der großen Nähe, die sie zulassen. So ergibt es Sinn, dass die Macher selbst ihren Film als „Episoden- und Begegnungsfilm“ bezeichnen. Genau aus diesem Grund wird die Kamera irgendwann zu einem unsichtbaren Beobachter und findet eine faszinierende Ästhetik, selbst in kaputten Landschaften.
Filminfos
| Gattung: | Dokumentarfilm |
|---|---|
| Regie: | Natalija Yefimkina |
| Drehbuch: | Natalija Yefimkina |
| Kamera: | Axel Schneppat |
| Schnitt: | Barbara Toennieshen; Nicole Fischer; Lucia Gerhardt; Markus C. M. Schmidt |
| Länge: | 97 Minuten |
| Kinostart: | 16.09.2021 |
| Verleih: | missingFILMs |
| Produktion: | Tamtam Film GmbH, MDR; ARTE; |
| FSK: | 6 |
| Förderer: | FFA; BKM; FFHSH |
Jury-Begründung
Die FBW-Jury vergibt das Prädikat besonders wertvoll.Am Rande eines nicht näher bestimmten Städtchens irgendwo in den Weiten Russlands erstreckt sich eine Reihe von alten Garagen, die jedoch schon lange nicht mehr nur als bloße Unterstände für Fahrzeuge dienen. Vielmehr verbergen sich hinter ihren Türen ungeahnte Welten individueller Formen der Selbstverwirklichung. Die Filmemacherin Natalija Yefimkina gewährt in ihrem Debütfilm spannende Einblicke hinter diese Türen. Wie einer ihrer Protagonist*innen, der über Jahrzehnte hinweg den Boden seiner Garage immer tiefer ausschachtete, dringt Yefimkina Schicht für Schicht zu den Untiefen ihrer Porträtierten vor, die ihre Garagen zum Refugium ihres offiziellen Daseins ausgebaut haben. Mit zunehmender Dauer entwickelt sich der Film zu einem faszinierenden Panorama postindustrieller Lebensverhältnisse in Russland. Dafür sorgen nicht nur die Protagonist*innen mit ihren Persönlichkeiten und teilweise schrägen Hobbys und Tätigkeiten selbst, sondern insbesondere auch die herausragend fotografierten Bilder innerhalb der Garagenwelt und das Zeigen der Welt „da draußen“. Und so betten durchkomponierte Aufnahmen einer von jahrzehntelang aktiver Schwerindustrie geprägten Landschaft die Porträts der Menschen auf äußerst stimmige Weise ein – sind sie doch ihrerseits von dieser Schwerindustrie geprägt, deren Blütezeit lange zurückliegt. In den mitunter durchaus heiteren Erzählton brechen zuweilen sehr heftige Momente, in denen sich die Auswirkungen des extremen Alkoholismus zeigen, der Teile dieses Ortes beherrscht. Diese inhaltliche Zuspitzung ist in der Montage hervorragend gelungen und fußt auf einer geschickt gebauten Dramaturgie feiner Beobachtungen, mit denen der Film immer weiter zu den Menschen vordringt. Der Film entblättert ein Kaleidoskop von Typen und lebt vom Vertrauen, das die Filmemacherin zu ihnen hat aufbauen können. In dieser souveränen Orchestrierung der verschiedenen Tonlagen bleibt zum Ende hin gar Platz für Ironie: Putin als Schäfer, der über allem thront – solche vielschichtigen Dimensionen hat GARAGENVOLK reichlich zu bieten.