Jury-Begründung
Prädikat wertvoll
Das Land ist verwundet – und durch die Nuklearkatastrophe für immer geschädigt. Die meisten Menschen haben die Gegend rund um die Stadt Fukushima nach dem Unglück im März 2011 auch schon längst verlassen, wurden evakuiert oder zogen weg, weil die Strahlenbelastung zu hoch war. Doch einige blieben, und von ihnen erzählt Thorsten Trimpop in seinem außergewöhnlichen Dokumentarfilm. Dabei überlässt er ihnen das Wort, lässt sie davon reden, wie und warum sie weiterhin in der extrem strahlenbelasteten Region leben, die ihre Heimat ist. Eine junge Frau will den Pferdehof, den ihr Vater in der fünften Generation der Familie führt, auch nach ihm weiterbetreiben. Doch viele ihrer Fohlen erkranken an einer geheimnisvollen Nervenkrankheit und sterben bald danach. Andere kehren für eine kurze Zeit in ihre Häuser in der evakuierten Zone zurück, sehen etwa nach, ob der Traktor noch anspringt, müssen aber bald wieder gehen und alles so, wie es ist, zurücklassen. Leere Straßenzüge und Landschaften sehen aus wie in einem Museum, und in einer Sequenz am Anfang des Films lässt Trimpop die Kamera dann auch über eine Modellbaulandschaft fahren. Er zeigt, wie hilflos die Versuche der Regierung sind, die radioaktive Verseuchung im Zaum zu halten. Winzige Staubkörner werden eingesammelt und ihre Verstrahlung gemessen. Fast jeder in diesem Film scheint einen Geigerzähler parat zu haben und diese werden auch ständig benutzt. Die verseuchte Erde wird abgetragen und in schwarzen Plastiktüten unter freiem Himmel gelagert. Die Menschen leiden, haben Angst und werden krank – aber sie bleiben, auch wenn einer von ihnen fatalistisch sagt, es könne dort kein Glück für ihn mehr geben. Sie sprechen gelassen und reflektiert über ihr Schicksal und ihre Heimat, und es gelingt Trimpop, deutlich zu machen, wie verheerend die Katastrophe auch das Lebensgefühl der Menschen verändert hat. Dabei ist sie weitgehend unsichtbar: die Häuser und Landschaften sind unversehrt – die Strahlung ist nicht direkt wahrnehmbar und nur durch die Messungen zu erkennen. Menschen erzählen von ihren Erkrankungen durch Verstrahlungen. Ein Ingenieur, der in dem Kernkraftwerk gearbeitet hat, erzählt von seinen Schuldgefühlen, isst dann aber auch Fisch, der frisch in Sichtweite der Reaktoren gefangen wurde. All das zeigt Trimpop sachlich, in ruhigen Einstellungen, wobei er nur selten Bilder von Zerstörung und Tod zeigt, wie etwa jene von ausgeweideten und verwesenden Pferdekadavern. Stattdessen beobachtet er genau und zeigt, wie es zugeht in der Zone und wie es möglich sein kann, dass einigen Menschen ihr Zuhause wichtiger ist als Gesundheit und Glück.