Friedhof der Namenlosen

Filmplakat: Friedhof der Namenlosen

FBW-Pressetext

Darya ist tot. Die junge Frau wurde von ihrem eigenen Bruder ermordet. Nur ein Femizid von vielen und ein Verbrechen, bei dem dazu die Chance gering ist, dass es überhaupt zur Anklage kommt. Denn im Justizsystem des Irak gibt es viele Hürden und Blockaden zu überwinden, um ein solches Verbrechen überhaupt zu verfolgen. Es ist ein Kampf gegen Windmühlen, die Frauenrechtsaktivistinnen wie Bahar Munzir und Laveh Mohammad trotzdem seit Jahren aufnehmen. Denn es ist ein Kampf im Namen der Frauen wie Darya, um ihren Mörder vor Gericht zu bringen. Das Leben können sie den Frauen nicht wiedergeben. Dafür aber Respekt und Gerechtigkeit. Mit seinem Kurzdokumentarfilm, ausgezeichnet als bester Hochschulfilm beim Hessischen Filmpreis 2024, greift Regisseur Hesam Yousefi ein hochaktuelles Thema auf. Doch anstatt einer theoretischen Auseinandersetzung setzt Yousefi klar auf das dokumentarische Stilmittel des Cinema Verité und begleitet die charismatischen Protagonistinnen auf ihrem steinigen Weg zu mehr Gerechtigkeit für Frauen. Die Kamera von Yousefi selbst ist immer nah bei den Frauen und man spürt das große Vertrauen, welches der Filmemacher zu Munzir und Mohammad gerade auch unter den schwierigen Drehbedingungen aufgebaut hat. Dass die Probleme bei der Strafverfolgung der Mörder oft auch in den Familien begründet liegen, weist auf einen Rechtsmissstand in einer Gesellschaft hin, die den Opfern ihre Stimme, ihre Würde und ihren Namen nehmen will. Und es sind Filme wie DER FRIEDHOF DER NAMENLOSEN, die Menschen wie Bahar Munzir und Laveh Mohammad ein Denkmal setzen, die weiterhin unermüdlich gegen diesen Rechtsmissstand kämpfen. Ein aufwühlender und doch mutmachender Film.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm; Kurzfilm
Regie:Hesam Yousefi
Drehbuch:Hesam Yousefi
Kamera:Hesam Yousefi
Schnitt:Hesam Yousefi
Musik:Firmesk Hafez; Dlzar Abedi
Webseite:h-da.de;
Länge:24 Minuten
Produktion: Hesam Yousefi, Hochschule Darmstadt;
Förderer:Hessische Filmförderung

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Zweifellos behandelt Regisseur Hesam Yousefi in seinem Dokumentarfilm DER FRIEDHOF DER NAMENLOSEN ein wichtiges Thema: den Femizid – hier in einer patriarchalisch islamischen Gesellschaft des kurdischen Nordiraks.
Dabei war sich die Jury einig, dass die Wichtigkeit eines Themas oder eine richtige Haltung allein kein Kriterium sein kann für die Qualität eines Kunstwerks. Vielmehr muss ein Film aus sich selbst heraus bewertet werden, ohne äußere Umstände heranzuziehen.
Im Fall von DER FRIEDHOF DER NAMENLOSEN sieht es die Jury als Qualität, dass es dem Regisseur gelungen ist, die Geschichte von Frauenrechtlerinnen und Aktivistinnen zur Aufklärung von Femiziden nur aus sich selbst heraus, ohne erklärende Kommentare zu erzählen, und dass in einer großen Nähe zur Hauptperson Bahar. Die kurzen – nur auf den ersten Blick sachfremden – Aufnahmen in der Privatwohnung mit ihrer alten Mutter, sieht die Jury, wie auch der Autor selbst, als Inseln der Ruhe sowie Illustration des Privaten, das - als hoher Preis für den kritischen Aktivismus - ohne Mann oder Familie stattfindet.
Gerade auch den ‚Friedhof der Namenlosen‘ selbst als konkreten, offiziell ‚ehrlosen‘ Ort anonym bestatteter ermordeter Frauen als lieblos behandelten und ungepflegten Ort zu zeigen und ihn nicht emotional überhöht in Szene zu setzten, ist dabei in den Augen der Jury kein Defizit, sondern sinntragend.
Gelungen schien der Jury auch der Einsatz des kurdischen Liedes „Ich bin ein kurdisches Mädchen, das frei in die Welt geboren wurde, aber das Schicksal hat mich gefangen“. Denn hier wird die Tragik der Frau in einer rigiden männlich-religiösen Welt gut eingefangen.
Kritisch wurde in der Jury gesehen, dass die dokumentarischen Aufnahmen der Frauenaktivistinnen und Rechtsanwältinnen selbst ohne dramaturgische Kunst auskamen und daher möglicherweise etwas redundant wirken könnten. Auch bleibt die Gesellschafts- und Politikstruktur, gegen deren Strukturen angekämpft wird, seltsam vage: Wie ist das Gerichtssystem, gibt es eine Staatsanwaltschaft, warum wird den Tätern so leicht offiziell ‚verziehen‘, so dass sie unter eine Strafamnestie fallen? Diese Fragen werden nur bruchstückhaft beantwortet.
Gleichzeitig wird spannend das große Spektrum der politisch gesellschaftlichen Arbeit der Frauenrechtlerinnen gezeigt: die Öffentlichkeitsarbeit, die investigative Aufklärungsarbeit, die professionelle Arbeit als Rechtsanwältinnen, sodass indirekt auch die gesamte Kultur, in denen Femizide oft ungesühnt passieren können, gespiegelt wird. Und dass, ohne dass der Regisseur konkrete Fragen an seine Protagonistin stellen muss, so dass sich ein sehr naher, intensiver und ungestellter Eindruck ergibt, was den Eindruck dieses Dokumentarfilms stärkt.
Der Jury hat DER FRIEDHOF DER NAMENLOSEN so gut gefallen, dass sie dem Film das Prädikat ‚besonders wertvoll‘ zugesprochen hat.