Filmplakat: Ewig Gast

FBW-Pressetext

Die Hände des Mannes, die gezeichnet sind von der Arbeit, die sie jahrzehntelang verrichtet haben, blättern in alten, vergilbten Dokumenten und Fotos. Die Dokumente sind in einer Sprache verfasst, die wir nicht verstehen, die Fotos zeigen Menschen aus einer Vergangenheit, die wir nicht kennen. Und das ganze Haus scheint erfüllt von Erinnerungen an zwei Leben. Ein Leben in der alten Heimat, die der Mann sich auch in der Ferne bewahren wollte. Und ein Leben in der neuen Heimat, in der er sich, auch nach all den Jahren, als ewiger Gast fühlt. Maximilian Karakatsanis erzählt in seinem Kurzfilm die Geschichte seines Großvaters, der als Gastarbeiter aus Griechenland nach Deutschland kam. Seine Erzählweise ist dabei gleichermaßen poetisch wie genau. Mit der Kamera begleitet er ihn auf den alltäglichen Wegen durch das Haus, in den Keller, wo der Großvater früher viel getüftelt haben muss, nun aber schon die Schritte hinunter schwerfallen. Er zeigt ihn beim Kochen, beim Anschauen alter Fotos, die wortlos so viel erzählen – über das, was man zurückließ, über das, was man sich neu aufbaute. Erst am Ende des Films spricht der Großvater aus dem Off, während die Kamera ihn in seinem kleinen Garten zeigt. Er erzählt stolz von den Umständen, die ihn und so viele andere nach Deutschland brachte – ein Land, das seinen Wiederaufbau nach dem Krieg ohne diese Menschen nie geschafft hätte. Und dem es viel zu selten gelang, dass sich die, die blieben, auch wirklich zuhause fühlten. EWIG GAST ist ein poetischer Dokumentarfilm, der fast keine Worte braucht, um eine berührende und beeindruckende Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte über den Großvater – aber auch über eine ganze Generation.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm; Kurzfilm
Regie:Maximilian Karakatsanis
Drehbuch:Maximilian Karakatsanis
Kamera:Maximilian Karakatsanis
Schnitt:Rita Schwarze; Maximilian Karakatsanis
Musik:Xavier Serra
Webseite:khm.de;
Länge:8 Minuten
Verleih:KHM
Produktion: Kunsthochschule für Medien Köln
Förderer:Kunsthochschule für Medien Köln

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Ein alter Mann blickt auf sein Leben zurück: Schwarzweißfotos zeigen ihn als jungen Mann, in einem fremden Land, liebevoll und fast zärtlich erfasst die Kamera die faltigen Hände, wie sie ein abgegriffenes und zerfleddertes Dokument anfassen, eine Arbeitserlaubnis oder etwas ähnliches Der genaue Zweck des Dokuments ist nicht deutlich zu erkennen, da es auf Griechisch abgefasst ist, es wird aber nicht allein aufgrund des Zustandes deutlich, dass dies etwas Wichtiges sein muss, tausend Mal vorzeigt, tausendmal wieder in der Tasche verstaut.

Immer wieder findet Maximilian Karakatsanis solche sprechenden Bilder, solche kleinen Beobachtungen, wenn er mit der Kamera das Haus seines Großvaters durchstreift. In sehenswerten 16mm-Aufnahmen, die den visuellen Fundstücken eine noch größere Plastizität und Haptik verleihen, erzählt er vom Leben seines Großvaters, der als einer der allerersten Arbeitsmigranten des Anwerbeabkommens zwischen Deutschland und Griechenland in die Bundesrepublik kam, sammelt Impressionen, zeigt den Großvater im Keller und macht die Mühen deutlich, wie dieser Mann, der es gewohnt war, zuzupacken, plötzlich im Alter an die Grenzen kommt. Mit sparsamen Bildern fast ohne jeden Kommentar (eine Ausnahme gibt es freilich, in der der Großvater stolz davon erzählt, dass er und andere nach Deutschland gekommen seien, um das Land wieder mit aufzubauen) eröffnet der Film einen Resonanzraum zwischen dem Jetzt und dem Damals, einen Ort des Erinnerns und des Ruhens.

Ein beeindruckendes Dokument, das ohne Zorn, aber mit viel Empathie zurückblickt auf eine Erfolgsgeschichte, auf Menschen, die gekommen sind, um oftmals auch zu bleiben. Als Nachbar:innen, Kolleg:innen, Freund:innen. Als Menschen, die dabei geholfen haben, dieses Land wieder aufzubauen. Und die dafür vielleicht nie die nötige Anerkennung und Dankbarkeit erfahren haben. All dies findet sich ohne viele Worte in diesem kleinen, großen Film.

Die Jury der FBW entschied sich für die Vergabe des Prädikats BESONDERS WERTVOLL.