Everything Alright
FBW-Pressetext
Alpár hat seinen ersten Arbeitstag. Der junge Mann wird von einem Kollegen abgeholt und im Nirgendwo abgesetzt. Und dann läuft er los. Immer wieder am Zaun entlang. Denn Alpár ist ein Grenzpolizist an der 175km langen Grenze zwischen Serbien und Ungarn. Im Jahr 2015 marschierten hier Tausende von Flüchtenden entlang, auf der Suche nach einem Durchkommen. Nun ist es Winter und kein Mensch ist zu sehen. Nur Alpár steht am Zaun. Und es ist still. Sein Kollege sagt, das sei normal. Doch wenn der Frühling kommt, würden auch wieder die Menschen kommen, die wie Tiere ihnen die Ernte wegfressen werden. Und dann muss Alpár bereit sein zu handeln. Auch wenn er sich das jetzt, in der Stille, noch nicht vorstellen kann. Die Filmemacherin Borbála Nagy hat mit EVERYTHING ALRIGHT einen Kurzspielfilm gedreht, der fast ohne Dialoge und auch ohne Musik auskommt – und doch so viel sagt. Bewusst lässt Nagy ihre Geschichte im Winter spielen. Denn der harte Kontrast zwischen der eisigen Stille, die man sieht und den Bildern der verzweifelten Menschenmasse, an die man sich erinnert, könnte härter und eindrücklicher nicht sein. Nagy lässt die einzelnen Einstellungen lange und ruhig stehen, der Blick auf ihren Protagonisten ist genau. Und je länger man als Zuschauer in Alpárs Gesicht schaut, desto mehr wird einem bewusst, mit welchen Mitteln sich der Entmenschlichungsprozess von Geflüchteten nicht nur an den Grenzen Europas vollzogen hat. Eindrücklicher, intensiver und politisch brisanter kann man nicht erzählen. Ein minimalistisches Kurzfilmmeisterwerk.Filminfos
Gattung: | Kurzfilm; Fiktion |
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Regie: | Borbála Nagy |
Darsteller: | Benett Vilmányi; Àkos Orosz |
Drehbuch: | Borbála Nagy |
Kamera: | Constantin Campean |
Schnitt: | László Dunai |
Länge: | 12 Minuten |
Verleih: | DFFB |
Produktion: | Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin GmbH (DFFB) |
FSK: | 0 |
Förderer: | dffb |
Jury-Begründung
Die FBW-Jury hat dem Film das Prädikat besonders wertvoll verliehen.Ein junger Mann kommt als neue Wache an die Grenze zwischen Ungarn und Serbien. Er erhält einen Kontrollabschnitt von wenigen Kilometern. Stacheldraht, Weite und Leere prägen seinen Alltag im Schnee. Nichts passiert. Einmal kommt es zu einer Irritation, doch letztlich starrt er auf eine menschenleere Landschaft hinter einem 2015 errichteten Grenzzaun. Sein Kollege scheint ihn kurz auf seine Gesinnung zu testen, denn im Sommer kämen die Migranten „wie Heuschrecken …“.
Der konzentrierte und spannende Kurzfilm dokumentiert einen wichtigen Aspekt europäischer Gegenwart nach der Flüchtlingskrise 2015. Der inszenatorische Minimalismus zeichnet sich durch seine sorgsam kontrollierten Mittel der Darstellung aus. Das Geschehen wirkt wie aus dem Alltag herausgegriffen, birgt jedoch zugleich eine unprätentiöse Metaphorik.
Die Regisseurin verbindet politische Brisanz, Spannung und Semi-Dokumentarismus zu einem dichten Kurzfilm, der Langeweile und Angst des Protagonisten gleichermaßen spürbar werden lässt. Der Kurzfilm spielt bewusst „an der Grenze, in der Kälte des Winters“, einem „Nicht-Ort“ (Marc Augé), der zugleich zur europäischen Metapher wird. Die Jury begriff diesen Film durchweg als originell angesichts des in den letzten Jahren oft behandelten Themas und als außergewöhnlich gelungen in der Wahl der künstlerischen Mittel.