Es wird Schuhe regnen

Filmplakat: Es wird Schuhe regnen

FBW-Pressetext

Mañana Brzozadrzewska kocht gerade ihre radioaktiv verseuchten Schuhsohlen aus, als plötzlich nach einem Vulkanausbruch eine seltsame geschlechts- und identitätslose Flüchtlingsperson vor ihrer Tür steht und nach neuen Schuhen verlangt. Mañana nimmt die Person auf, versucht sie sozial einzupassen, was misslingt, und dann kommt noch der von der Schnürsenkelindustrie finanzierte Boulevardreporter Johann Johannsohnsohn hinzu. Es ist eine seltsame Welt, in die uns die Filmemacherin Mariola Brillowska entführt. Eine Welt, die durchaus Analogien zu unserer zulässt, doch vieles, das wir zu kennen glauben, verschiebt und verschrägt. ES WIRD SCHUHE REGNEN ist ein Film der Polyphonie, der Unbestimmtheit – ein Vexierspiel mit den Erwartungshaltungen der Zuschauer*innen. Die vielen unterschiedlichen Namen für die Flüchtlingsperson bezeugen den Drang, alles konkret bezeichnen zu wollen, und auch die Unsicherheiten, die entstehen, wenn eine Person wie die genderneutrale, außerweltliche „Didi“ sich bekannten Zuordnungskriterien entzieht. Auch formal betrachtet geht der Film einen besonderen, eigenwilligen Weg. Die Darsteller mussten sich nach vorproduzierten und mit halbierter Geschwindigkeit abgespielten Audioaufnahmen richten, deren Geschwindigkeit in der Postproduktion wieder verdoppelt wurde. Dieser technische Kniff unterstützt auf bemerkenswerte Weise die humorvolle und absurde Situation der Geschichte. Mariola Brillowska ist ein Kunststück gelungen, indem sie einen experimentellen, erratischen Film inszeniert hat, der gleichzeitig sein Publikum durchweg gut unterhält.
Prädikat besonders wertvoll

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Es geschah an einem Sonntag. Erst kam der Wind, dann die Eruption. Der Vulkan spuckte und spuckte, und die Menschen haben sich in den Bunker zurückgezogen. Einzig Mañana Brzozadrzewska weiß sich zu helfen. Sie kocht ihre radioaktiv verseuchten Schuhsohlen aus, als es an ihrer Tür klopft. Davor steht eine seltsame geschlechtslose Flüchtlingsperson, die Einlass und neue Schuhe verlangt. Weil Sonntag ist, tauft Mañana sie Didi Dimanche, aber eigentlich heißt sie Bari Meng, spricht eine ausgestorbene Sprache, kann Gedanken lesen und Dinge schweben lassen. Außerdem will sie zum Mars, aber das geht erst bei Vollmond. Mañana weiß auch in diesem Fall, was zu tun ist: Das Wesen muss sozial eingepasst werden, zur Schule gehen und eine Integrationsklasse besuchen. Und die Welt muss über das Ereignis Bescheid wissen. Also veranstaltet sie eine Pressekonferenz und kontaktiert den schwedischen Reporter Johann Johannsohnsohn, dessen Blatt von der Schnürsenkelindustrie finanziert wird.

Es ist eine eigentümliche Welt, in die uns die Künstlerin und Filmemacherin Mariola Brillowska entführt. Sie ähnelt in vielerlei Hinsicht der unseren, erscheint aber sehr surreal und absurd, als sei alles irgendwie verschoben oder falsch zusammengesetzt. Während draußen eine graue Ascheschicht über allem liegt, ist drinnen alles knallbunt. Die Personen sind sehr eigenwillig gekleidet, tun wundersame Dinge und wirken ziemlich überdreht. Ihr Reden und Handeln macht gewissen Sinn, fügt sich aber insgesamt zu großem Unsinn zusammen. Vor allem wird viel und schnell geredet in diesem Film, und der Sprachduktus ist ungewöhnlich. Das ist der Produktionsweise geschuldet, bei der die Darsteller*innen zu vorproduzierten Audios agieren mussten, die mit halber Geschwindigkeit abgespielt wurden. In der Postproduktion wurde die Geschwindigkeit der Szenen verdoppelt, wodurch die Bewegungen slapstickartig beschleunigt wurden, was den besonderen Humor des Filminhalts unterstreicht.

Die Geschichte ist assoziativ erzählt und negiert jegliche Konventionen von Dramaturgie und Filmsprache. Man weiß nie, was im nächsten Moment passiert, und warum. Viele wichtige Themen unserer Zeit werden angerissen, wie Genderidentität, die Fähigkeiten alleinstehender Frauen, Integration, Mobbing in der Schule, die Rolle der Presse etc. Hinzu kommen allerhand absurde Ideen, kluge Geistesblitze und witzige visuelle Einfälle. Es gibt kleine animierte Szenen und Miniaturen, viele extravagante Outfits und vor allem Schuhe in allen erdenklichen Farben und Formen. Der Film spielt mit allen diesen Elementen und mit den Erwartungen der Zuschauenden – aber nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit ganz viel anarchistischer Freude und Energie. So ist ES WIRD SCHUHE REGNEN ein experimenteller Film, der einfach Spaß macht.