Die Verrohung des Franz Blum

Kinostart: 26.03.74
1973
Filmplakat: Die Verrohung des Franz Blum

FBW-Pressetext

Ein Gefängnisdrama um einen Versicherungsangestellten, der wegen eines Banküberfalls in Haft gerät und sich in der Knast-Hierarchie zurecht finden muss.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Kategorie:Spielfilm
Gattung:Drama
Regie:Reinhard Hauff
Darsteller:Jürgen Prochnow; Eik Gallwitz; Burkhard Driest; Tilo Prückner
Drehbuch:Burkhard Driest; Reinard Hauff
Länge:104 Minuten
Kinostart:26.03.1974
Verleih:Filmverlag der Autoren
Produktion: , Bioskop-Film-Gesellschaft mbH, München
FSK:16

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Der Film erhielt im Bewertungsausschuss einstimmig das höchste Prädikat.

Durch den Drehbuchautor und zweiten Hauptdarsteller ist ihm der Ruf vorausgegangen, authentisch zu sein, was die Verhältnisse in Zuchthäusern betrifft. Nachdem man den Film gesehen hat, ist man davon überzeugt. Kann sein, dass das eine oder andere inzwischen nicht mehr ganz so ist und jedenfalls nicht mehr überall so ist; bestürzend und erschütternd bleibt die Authentizität in der Darstellung der Gefangenenpsychologie und der sich daraus ergebenden Entwicklungen. Darin vor allem liegt der Wert des Drehbuchs, hinter dessen Intentionen die Regie in keinem Punkt zurückgeblieben ist. Schon die Differenzierung der Typen der Häftlinge ist eine hervorragende Leistung.
Der Film ist eine einzige Anklage, ohne dass irgendwo eine der im Zusammenhang mit dem viel diskutierten Strafvollzug bereits gewohnten Anklagen in den Vordergrund käme, abgesehen vom letzten Satz des Films, der den durch seine Hafterlebnisse nun völlig korrumpierten Menschen entlässt mit der Bemerkung, er sei ja nun ein anderer Mensch geworden.
Zu der frappierend guten Auswahl der Typen (wozu auch gehört, dass, wenn auch mit wenigen skizzenhaften Strichen, jeweils ein Schicksalshintergrund angedeutet wird) ist hinzuzufügen, dass auch das Niveau der Darstellung weit über dem Durchschnitt liegt. Vorzüglich ist die Arbeit der Kamera vom Erfassen des allgemeinen Milieus bis in die kleinsten, aber niemals zufälligen Details. Ähnliches gilt für die Einzelheiten des Handlungsablaufs und überhaupt der Dramaturgie. Auch hier ist nichts zufällig, sondern vom Ganzen her durchdacht. Was weiterhin diesen Film über andere "Knast"-Filme hinaushebt: Das eigentlich Bestürzende und Erschütternde bezieht sich nur vordergründig auf die Zuchthausverhältnisse. Dieses Zuchthaus ist zugleich, und zwar ohne direkte Verweise oder Symbole, das nur ins Extreme verzogene Spiegelbild einer ganzen Gesellschaft. Die gleichen oder zumindest ganz ähnlichen Mechanismen werden sehr rasch offenbar, vom Recht des Stärkeren bis zum Aufbau einer internen Hierarchie und bis zu der Erfahrung, dass nur Brutalität Erfolg oder Überleben garantiert. In der hier gezeigten Welt ist vor allem eines nicht lebensfähig: das Gewissen. Der eigentliche Gegenstand der Anklage ist am Ende nicht mehr die zufällige, mehr oder weniger schlimme Praxis des sogenannten Strafvollzugs, sondern vielmehr und allgemeiner einer Verrohung, bei der es vom Menschlichen zum Unmenschlichen nur einen winzigen Schritt braucht. Ferner eine sich zwangsläufig einstellende Grundhaltung des Zynismus, dem die Organe des Strafvollzugs auf die Dauer genauso verfallen müssen wie die Betroffenen selbst.
Formal ist für den ganzen Film ein sehr gekonnter Perfektionismus kennzeichnend; der Bewertungsausschuss sieht darin keine Beeinträchtigung des Wertes oder der Wirkung.

Alois Fink, Simon Neubauer, Hans Joachim Schaefer, Franz Josef Rappmannsberger