Jury-Begründung
Prädikat wertvoll
Die Umkehrung ist ein bewährtes Verfremdungsmittel, um Strukturen deutlich zu machen. Falk Poetz nutzt dieses Stilmittel in seinem Film sehr effektiv. Wenn ein reicher Mann in den 50igern einer attraktiven jungen Frau anbieten würde, in seinem Penthouse zu wohnen und von ihr dafür mit Sex bezahlt zu werden, dann entspräche dies der Erwartungshaltung des Publikums. Poetz erzählt genau diese Geschichte, nur mit vertauschten Geschlechterrollen. Hier ist die Frau in der Machtposition, und der Mann wird vor die Entscheidung gestellt, ob er sich prostituieren will. Poetz hat das glaubwürdig inszeniert: Der junge Student Louis ist hilflos, ohne Bleibe in einem ihm fremden Land, und in dieser Notsituation macht die Anwältin Clara ihm ein verlockendes, unmoralisches Angebot. Das Verhältnis der beiden zueinander scheint rein geschäftsmäßig zu sein, und so gestaltet Poetz auch seinen Film: Seine Protagonisten strahlen eine unangenehm berührende Kälte aus, die Räume sind sachlich und extrem unpersönlich eingerichtet, die Sexszenen sind betont mechanisch und unerotisch inszeniert. Poetz nutzt seine filmischen Mittel, um Distanz zu seinen Filmfiguren zu schaffen. Mit der Arbeit der Kamera, der Lichtführung, Montage und Filmmusik schafft er eine artifiziell wirkende Filmrealität und lädt so das Publikum dazu ein, das Geschehen wie bei einer Versuchsanordnung zu betrachten und einzuordnen. Komplexe Zusammenhänge und Nuancen kann Poetz so allerdings nicht vermitteln, und die Mehrzahl der Jury bemängelte auch den klischeehaften Zuschnitt der Filmfiguren sowie das hölzerne Agieren der Darsteller. Und so schließt sich der FBW-Hauptausschuss dem Urteil der Erstjury an und bestätigt gerne die Auszeichnung des Films mit dem Prädikat „wertvoll“.