Die Täuschung

Kinostart: 26.05.22
2021
Filmplakat: Die Täuschung

FBW-Pressetext

Britisches Erzählkino in Perfektion: Dieses Kriegsdrama ist spannender Thriller und historisch genaues Zeitdokument in einem.

England, 1943: Die Geheimdienstoffiziere Montagu und Cholmondeley entwickeln im Auftrag Winston Churchills und der Alliierten den tollkühnen Plan, die Deutschen mit Desinformationen zu täuschen, um sie so von einer geplanten Invasion abzulenken. Doch der Plan droht in letzter Minute zu scheitern. Dem Kriegsdrama von John Madden gelingt es, eine komplexe und wahre Geschichte mit Eleganz und einem sich perfekt ergänzenden Ensemble als hochspannendes Thrillerdrama zu erzählen.

Die wahre Geschichte der „Operation Mincemeat“ ist für den Verlauf des Zweiten Weltkrieges als unfassbar wichtig eingeschätzt worden. Doch neben der historischen Dimension stellt Regisseur John Madden, zusammen mit seiner Drehbuchautorin Michelle Ashford, vor allem die beteiligten Offiziere und ihre Zusammenarbeit in den Erzählfokus. Denn das zunächst nur widerwillige Miteinander der eher unterschiedlichen Charaktere entwickelt sich im Verlauf des Films zu einer fest verknüpften Einheit, die jedoch auch immer wieder gestört wird von Eifersucht, Misstrauen und den eigenen Konflikten. In den Hauptrollen glänzen Colin Firth, Matthew Macfadyen sowie Kelly Macdonald, die nur die Spitzen eines hochkarätigen Ensembles sind und erneut die große Qualität der britischen Schauspielkunst unter Beweis stellen. Die Dialoge sind wortreich, doppelbödig, verlangen hohe Aufmerksamkeit und belohnen mit einem spannungsgeladenen Drive, der auch dank klug komponierten und bis ins kleinste Detail genau ausgestatteten Bildern bis zur historisch verbürgten finalen Schlussvolte fesselt und mitzieht. Und eine angedeutete und sehr einfühlsam subtil erzählte Liebesgeschichte emotionalisiert, ohne zu verkitschen. Die Auseinandersetzung mit Krieg und seinen strategischen Entscheidungen, mit der Frage nach Moral und Gesetz, sowie mit dem Bestehen von Entscheidungen vor dem eigenen Gewissen – das alles sind auch heute aktuelle Fragen, auf die DIE TÄUSCHUNG aufmerksam macht. Und so ist dieser Film nicht nur eine historisch sehr genau recherchierte Aufarbeitung eines wichtigen Ereignisses, sondern auch ein hochrelevanter Film für unsere Zeit.

Filminfos

Gattung:Drama; Spielfilm; Kriegsfilm
Regie:John Madden
Darsteller:Colin Firth; Matthew Macfadyen; Kelly Macdonald; Penelope Wilton; Jason Isaacs; u.a.
Drehbuch:Michelle Ashford
Kamera:Sebastian Blenkov
Schnitt:Victoria Boydell
Musik:Thomas Newman
Länge:128 Minuten
Kinostart:26.05.2022
Verleih:Warner
Produktion: See-Saw Films, Cohen Media Group; A Film Location Company; Archery Pictures; FilmNation Entertainment;
FSK:12

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

In DIE TÄUSCHUNG wird die wahre Geschichte einer britischen Geheimdienstaktion erzählt, die so verwickelt und unwahrscheinlich ist, dass kein Autor sich trauen würde, sie so zu erzählen. Doch überprüft man einige der hier fiktionalisierten Geschehnisse, so stellen sie sich als historische Tatsachen heraus. Sachlich und mit erstaunlich wenig patriotischen Pathos wird hier die „Operation Mincemeat“ im Stil eines historischen Dramas durchgespielt, und dies mit der Souveränität und Sorgsamkeit, die auf der großen Tradition des historischen Films im britischen Kino fußt. Dazu gehört eine penible Recherche, auf der basierend dann ein dramaturgisch klug durchdachtes Drehbuch geschrieben wurde. In diesem bleibt bei aller Finesse der Täuschung immer der Blick auf die vielen menschlichen Dramen gerichtet, die in den Sog der kriegsentscheidenden Operation gerissen werden. Die beiden Geheimdienstler Ewen Montagu und Charles Cholmondeley sind zwar die Protagonisten des Films, und ihr Verhältnis zueinander wird dramatisch sehr effektiv durch eine (erfundene?) romantische Dreiecksgeschichte kompliziert. Aber es gibt auch viele andere Charaktere, durch die etwa das moralische Dilemma der Geheimdienstarbeit verdeutlicht oder die Rolle des deutschen Geheimdienstes in Frage gestellt wird. DIE TÄUSCHUNG ist ein Film, der die volle Aufmerksamkeit des Publikums einfordert, denn ohne diese ist es unmöglich, den vielen Finten, die in der Geschichte geschlagen werden, zu folgen. Dennoch entsteht nie der Eindruck, hier wolle die Drehbuchautorin Michelle Ashford (wie gerade in Geheimdienstthrillern üblich) besonders schlau sein. Stattdessen hat sie die hochkomplizierte Geschichte so klar und kompakt strukturiert, dass die Zuschauer trotz allem immer die Übersicht behalten können. Nebenbei hat Ashford dann auch noch die wunderbare Idee, ganz nebenbei einen subalternen Geheimdienstler vorzustellen, der durch die Operation inspiriert beginnt, einen Spionageroman zu schreiben. Kenner werden in ihm unschwer den Erfinder von James Bond, Ian Fleming, erkennen können. Im Laufe des Films wird immer deutlicher, dass drei Faktoren für das Gelingen der Aktion elementar waren: Strategie, Instinkt und Glück. Sie bilden das Fundament dieser Erzählung. Weil das britische Kino eine große Tradition von historischen Filmen hat, gibt es dort auch einen großen Pool an schauspielerischen Talenten, aus dem John Madden sich mit einem guten Gespür für die passende Besetzung bedienen konnte. Und dass Gewerke wie Ausstattung, Kamera, Musik, Licht und Montage hier auf international höchstem Niveau geliefert haben, ist fast schon eine Selbstverständlichkeit. So ist DIE TÄUSCHUNG viel mehr als eine interessante Geschichtslektion geworden. Dies ist ein auf allen Ebenen stimmiger, extrem unterhaltsamer und spannender Kinofilm.