Die neue Kunst, Ruinen zu bauen - Arte nuevo de hacer ruinas

Kinostart: 29.03.07
2006
Filmplakat: Die neue Kunst, Ruinen zu bauen - Arte nuevo de hacer ruinas

FBW-Pressetext

Poesie des Zerfalls: Eine Film-Reise durch die kubanische Hauptstadt Havanna mit einer interes-santen These und mit spannenden Personen. Auch Kuba-Liebhabern empfohlen.
Prädikat wertvoll

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm
Regie:Florian Borchmeyer
Drehbuch:Florian Borchmeyer
Länge:85 Minuten
Kinostart:29.03.2007
Produktion: Raros Media Borchmeyer & Hentschler GbR Florian Borchmeyer, Glueck Auf Film; Koppfilm; Raros Media;
FSK:0

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Poesie des Zerfalls: Kuba hat sich in den letzten Jahren sozusagen zum „Jurassic-Park“ der Dokumentarfilmer entwickelt. Gerade aus Deutschland kommen viele Filme, in denen die dort so pittoresk aus der Zeit gefallene Welt zwar immer auch mit kritischem Blick, vor allem aber in vielen schönen Bildern von alten amerikanischen Autos und halbzerfallenen Gebäuden gezeigt wird.
Florian Borchmeyers Film wirkt wie ein Gegenentwurf zu dieser Schwemme von abgefilmten Postkarten. Bei ihm findet sich kein romantisch verklärtes Bild. Er versucht, die Ruinen von Havanna nicht aus der Perspektive des durchreisenden und faszinierten Europäers zu sehen, sondern mit den Augen derer, die in ihnen wohnen, und deren ganzes Land langsam zu einer Ruine zerfällt. Dabei erzeugt er durchaus auch Stimmungen - so etwa, wenn er Mahlers „Filmmusik“ zu Viscontis „Tod in Venedig“ über Bilder des zerfallenden Havanna legt, nachdem einer seiner Interviewpartner vorher die Parallelen zwischen Thomas Manns Dekadenz und der des heutigen Kubas deutlich machte.

In erster Linie aber überzeugt dieser Dokumentarfilm, der vielleicht besser als Film-Essay kategorisiert wäre, auf der intellektuellen Ebene. Der poetische Filmessay fesselt mit einer interessanten These und mit spannenden Personen. Auf zum Teil auf rhetorisch hohem Niveau wird die These vertreten, ausgeführt und belegt, dass Kuba selber zu einer Ruine geworden ist, ja sogar von den Herrschenden bewusst in Trümmern gelegt wird, weil auch diese zerbröckelnden Mauern noch das System stützen. „Wir sind die falschen Ruinen einer Invasion, die es nie gab“, heißt es da. Parallelen mit der englischen Gartenarchitektur des 18. Jahrhunderts werden gezogen, damals gab es für die Edelleute eigens errichtete pittoreske „Ruinen“ mit künstlicher Romantik.
Ein von Borchmeyer Interviewter „wohnt“ in den Ruinen eines Theaters, das einst zu den prunkvollsten Bauten Lateinamerikas zählte, und der Film beschwört diese vergangene Pracht mit alten Archivaufnahmen in Schwarzweiß sowie Tonaufnahmen aus jener Zeit herauf. Dabei behält er aber immer seine analytische Schärfe, verliert sich nie in der sonst üblichen nostalgischen Wehmut.

Die FBW-Jury war beeindruckt von der Poesie und Kraft des Films und insbesondere davon, wie dichterisch und poetisch die interviewten Kubaner sich ausdrücken können. So beschreibt einer ein Gebäude als alte Frau, die Rouge aufgelegt hat, sodass man die Greisenhaftigkeit ihrer Haut erst bemerkt, wenn man ihr übers Gesicht streicht.
Bemängelt wurden lediglich ein paar Längen des Films. Auf der Bildebene wie auch in den Erzählungen der Kubaner gibt es einige Redundanzen.