Filmplakat: Die Nacht

FBW-Pressetext

Die Mutter kann nicht schlafen. Sie vermisst ihr Kind, doch es kommt nicht zur ihr zurück. Und während sich die Nacht über die zerstörte Stadt legt und alle Augen geschlossen sind, blicken die Augen der Mutter noch wach hinauf zum Himmel. Bis sich eine Gestalt zu ihr bewegt. Und ihr Trost beschert. In seinem neuen Kurzanimationsfilm beschreibt der Filmemacher Ahmad Saleh die Nacht als etwas Heilbringendes, eine große Ruhe innerhalb einer Welt voller Chaos und Zerstörung. Die Puppenanimationen sind minimalistisch reduziert und wirken dennoch realistisch. Kamera, Schnitt und Musik erwecken beim Betrachtenden größtmögliche Empathie und nehmen gefangen durch die assoziative Geschichte, die auf der Tonebene durch die sanfte Erzählstimme einer Frau begleitet wird und die sich wie ein Traum von Bild zu Bild entwickelt und die sich einer festen Deutung entzieht. Der Krieg und die Zerstörung, die er anrichtet, zeigt sich schon in den ersten Bildern der Geschichte, wenn leere Häuserfassaden wie Mahnmale in der Landschaft platziert sind. Doch neben all der Dunkelheit findet Saleh, auch dank dem geschickten Spiel mit Licht und Schatten, in der Darstellung der Nacht etwas Versöhnliches, das all jenen Trost für das bringt, was der Tag ihnen genommen hat. DIE NACHT ist atmosphärisch dichtes und künstlerisch beeindruckendes Kurzfilmkino.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Animationsfilm; Kurzfilm
Regie:Ahmad Saleh
Darsteller:Hiam Abbass; Rafia H. Oraidi; Salma Saleh
Drehbuch:Ahmad Saleh
Kamera:Saed Saleh
Schnitt:Ahmad Saleh
Musik:Suad Bushnaq
Länge:16 Minuten
Produktion: Fabian&Fred GmbH Fabian Driehorst, Ses-Studio, Saleh Saleh; VAMOS Animation;
FSK:6
Förderer:BKM; Film- und Medienstiftung NRW

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Zumindest in hiesigen Breiten ist die Nacht gemeinhin eine Allegorie auf Unheimliches, bisweilen sogar Gefährliches. In Ahmad Salehs Kurzanimationsfilm steht sie für etwas ganz anderes. DIE NACHT entführt die Zuschauer in die Ruinen einer kriegszerstörten Stadt. Schuttberge, wohin man auch schaut. Die Bewohner haben sich bei Sonnenuntergang in die wenigen, verbliebenen, sicheren Räume zurückgezogen. Die Nacht senkt sich herab und schenkt den geschundenen Körpern und Seelen endlich ein wenig Schlaf, um Kraft zu schöpfen. Nur eine Mutter auf der Suche nach ihrem Kind kann keine Ruhe finden.

DIE NACHT besticht durch eine Ausstrahlungskraft, die über die üblichen sensorischen Kanäle, das Hören und Sehen, hinauszugehen scheint. Noch bevor die Jury die Story vollends begreifen konnte, schien sie schon eine Ahnung von der Macht der Nacht zu haben. Salehs Stop-Motion-Puppet-Animation versteht es hervorragend die Story und Emotionen zu vermitteln. Neben der behutsam erzählten Geschichte ist es vor allem auch die Anmut und Materialität der Animation, die die Jury beeindruckt hat.

Eine Frauenstimme aus dem Off stellt die Nacht vor. In einem Dialog mit einem kleinen Kind erklärt sie die wahre Größe und Stärke der Dunkelheit, der Nacht, die als mystische Frauenfigur schützend ihr Gewand über die erschöpften Gestalten legt. Dass, so die Jury, ist von geradezu poetischer Zartheit angesichts der erschütternd-prosaischen Schuttberge, durch die Sahels Kamera zieht, bis sie bei den kleinen Animationsfiguren verweilt, die dort irgendwie Schutz gefunden zu haben scheinen.

Dramaturgisch erweitert wird die Story durch die eingangs erwähnte Geschichte der suchenden Mutter. In ihrer Untröstlichkeit kann sie nicht mehr von der heilenden Macht der Nacht erreicht werden, so dass die Nacht auf eine Täuschung zurückgreift. Ihr allein gewährt sie eine poetische Vision, um letztlich auch helfen zu können und die Mutter vor dem Zerbrechen zu bewahren - eine bewegende Geschichte.

Der interessante Score und ein gelungenes Sound-Design tragen ihren Teil zur authentischen Erfahrung bei. Wie ein Widerhall der Kriegsgeräusche vom Tag, die langsam mit den Stimmungen der Nacht verschmelzen, bereiten sie das Bett für das Visuelle, darüber die Stimme der arabischen Erzählerin und das flehentliche Rufen der Mutter. Knapp 16 Minuten einer erstaunlichen, bisweilen auch erschreckenden Verzauberung. Die Jury zeigte sich zutiefst beeindruckt von der geradezu lyrischen Größe, die DIE NACHT auf die Leinwand bringt. Dafür vergibt sie gerne und einstimmig das höchste Prädikat.