Die Moral der Ruth Halbfass

1972
Filmplakat: Die Moral der Ruth Halbfass

Jurybegründung

Der Film wurde ausführlich diskutiert. Dabei wurden auch die Gedanken Schlöndorffs zum Thema " Trivialfilm" mit Interesse zur Kenntnis genommen.

Gerade im Zusammenhang mit den theoretischen Überlegungen des Autors erscheint dieser Film dem Bewertungsausschuss als ein bemerkenswerter Versuch, möglicherweise sogar als ein - in einem begrenzt gesetztem Rahmen - neuer Ansatz. Die Vorstellung des " Trivialfilms" in differenzierter Sehweise" konnte hier in einem bereits erkennbaren Maße realisisert werden. Alles, was Trivialität ausmacht, ist zunächst deutlich und noch ohne Berechnungen ausgebreitet; mehr und mehr, gegen den Schluss hin immer dichter werdend, sind jedoch dem Trivialen Kontrapunkte entgegengesetzt, Ansatzpunkte der Distanzierung auch für den Zuschauer, Überraschungsmomente- nicht nur den Lauf der äußeren Handlung betreffend, sondern eben Überraschungsmomente gegenüber dem Trivialen im üblichen Sinne, bei dem es sonst meistens bleibt. Sowohl das vordergründig Realistische wie das Artifizielle, das Unterhaltende wie das Anspruchsvollere sind zueinander in eine vernünftige, keine Seite verabsolutierende, filmisch praktikable Relation gebracht. Insbesondere die Anlage des Drehbuchs und der sich daraus ergebende Regiestil sind Belege für die Auffassung, dass Schlöndorff sich mit diesem Film seinen Vorstellungen in der Praxis deutlich genähert hat. Differenzierung des Trivaialen liegt z.B. im Wechsel des Gewichts, das im Laufe des Films den verschiedenen Personen und den mit ihnen verbundenen Perspektiven zukommt, immer auch eine Variantion im Interesse des Zuschauers, das zunächst der Frau des Fabrikanten, dann ihrem Geliebten, vorübergehend und auf überraschende Weise der Frau des Zeichenlehrers, schließlich und endlich aber dem Fabrikanten gilt. Zugleich, und das ist wohl für die Beurteilung eines Films von Bedeutung, gewinnt der Film in seiner Entwicklung zum Schluss hin und im Schluss an "Anspruch" und Überzeugungskraft. Am Schluss wird völlig deutlich, dass das Triviale als solches für den Autor nicht allein maßgebend war, es wird sowohl durch die schlichte Wendung der Handlung wie durch den Einsatz sehr artifizieller Mittel durchbrechen. Hier sind Ansätze erkennbar, wie sie im deutschen Film seit Lubitsch kaum mehr versucht wurden. überzeugend auf dieser Linie ist Peter Ehrlich, auch, trotz der Kürze der Auftritte, Margarethe von Trotta; dass das Liebespaar, sonst scheinbar ganz natürlich das Zentrum, auf das sich das Interesse richten und von dem Spannung ausgehen soll, kaum verändert im Bereich der gewöhnlichen Unerhaltungsfilme bleibt, mag Absicht gewesen sein, es kann aber auch von Lücken der dramaturgischen Überlegung oder von einem Zurückbleiben der darstellerischen Intensität herkommen. Immerhin scheint eine Absicht dieser Art im Gesamtrahmen des Films denkbar, die Realisation dieses Teils bleibt jedoch unbefriedigend.
Prädikat wertvoll

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Der Film wurde ausführlich diskutiert. Dabei wurden auch die Gedanken Schlöndorffs zum Thema " Trivialfilm" mit Interesse zur Kenntnis genommen.
Gerade im Zusammenhang mit den theoretischen Überlegungen des Autors erscheint dieser Film dem Bewertungsausschuss als ein bemerkenswerter Versuch, möglicherweise sogar als ein - in einem begrenzt gesetztem Rahmen - neuer Ansatz. Die Vorstellung des " Trivialfilms" in differenzierter Sehweise" konnte hier in einem bereits erkennbaren Maße realisisert werden. Alles, was Trivialität ausmacht, ist zunächst deutlich und noch ohne Berechnungen ausgebreitet; mehr und mehr, gegen den Schluss hin immer dichter werdend, sind jedoch dem Trivialen Kontrapunkte entgegengesetzt, Ansatzpunkte der Distanzierung auch für den Zuschauer, Überraschungsmomente- nicht nur den Lauf der äußeren Handlung betreffend, sondern eben Überraschungsmomente gegenüber dem Trivialen im üblichen Sinne, bei dem es sonst meistens bleibt. Sowohl das vordergründig Realistische wie das Artifizielle, das Unterhaltende wie das Anspruchsvollere sind zueinander in eine vernünftige, keine Seite verabsolutierende, filmisch praktikable Relation gebracht. Insbesondere die Anlage des Drehbuchs und der sich daraus ergebende Regiestil sind Belege für die Auffassung, dass Schlöndorff sich mit diesem Film seinen Vorstellungen in der Praxis deutlich genähert hat. Differenzierung des Trivaialen liegt z.B. im Wechsel des Gewichts, das im Laufe des Films den verschiedenen Personen und den mit ihnen verbundenen Perspektiven zukommt, immer auch eine Variantion im Interesse des Zuschauers, das zunächst der Frau des Fabrikanten, dann ihrem Geliebten, vorübergehend und auf überraschende Weise der Frau des Zeichenlehrers, schließlich und endlich aber dem Fabrikanten gilt. Zugleich, und das ist wohl für die Beurteilung eines Films von Bedeutung, gewinnt der Film in seiner Entwicklung zum Schluss hin und im Schluss an "Anspruch" und Überzeugungskraft. Am Schluss wird völlig deutlich, dass das Triviale als solches für den Autor nicht allein maßgebend war, es wird sowohl durch die schlichte Wendung der Handlung wie durch den Einsatz sehr artifizieller Mittel durchbrechen. Hier sind Ansätze erkennbar, wie sie im deutschen Film seit Lubitsch kaum mehr versucht wurden. überzeugend auf dieser Linie ist Peter Ehrlich, auch, trotz der Kürze der Auftritte, Margarethe von Trotta; dass das Liebespaar, sonst scheinbar ganz natürlich das Zentrum, auf das sich das Interesse richten und von dem Spannung ausgehen soll, kaum verändert im Bereich der gewöhnlichen Unerhaltungsfilme bleibt, mag Absicht gewesen sein, es kann aber auch von Lücken der dramaturgischen Überlegung oder von einem Zurückbleiben der darstellerischen Intensität herkommen. Immerhin scheint eine Absicht dieser Art im Gesamtrahmen des Films denkbar, die Realisation dieses Teils bleibt jedoch unbefriedigend.